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die wechselseitigen Handelsverhältnisse verhandelt
werden sollte. Als Grundlagen dieser Verhand-
lungen wurden in Aussicht genommen: Aufhebung
aller Land= und Binnenzölle an den wechselseitigen
Grenzen, Anordnung von den staatswirtschaft-
lichen Zwecken und finanziellen Bedürfnissen ent-
sprechenden Zöllen an den äußern Grenzen gegen
andere Staaten, Teilung des Ertrags nach dem
Mittelverhältnis zwischen Ausdehnung und Be-
völkerung der beteiligten Staaten, gemeinschaft-
liche Besetzung der Zollämter und Zollinien usw.
Später nahmen an diesen Verhandlungen, welche
am 13. Sept. 1820 zu Darmstadt begannen, auch
Kurhessen, Waldeck und die beiden Hohengollern
teil. Uber verschiedene sehr wesentliche Punkte
konnte jedoch keine Einigung erzielt werden, so z. B.
über die Höhe der Zollsätze, die Teilung der Zoll-
einkünfte usw. Als die großherzoglich hessische
Regierung sich im April 1823 wegen Aussichts-
losigkeit einer Verständigung von den Verhand-
lungen zurückzog, hatten die „Darmstädter Kon-
ferenzen“ ein Ende. Am 8. Sept. 1824 schlossen
Baden und das Großherzogtum Hessen einen Han-
delsvertrag, der jedoch schon am 1. Jan. 1826 wie-
der aufgehoben wurde. Dagegen kam am 28. Juli
1824 zwischen Württemberg, Hohenzollern-He-
chingen und Hohenzollern-Sigmaringen ein Zoll-
einigungsvertrag zustande. Im Nov. 1824 nah-
men Bayern und Württemberg die Verhandlungen
über eine Zolleinigung wieder auf. Bei den zu
Stuttgart unter Beteiligung von Baden, dem
Großherzogtum Hessen und Nassau geführten Be-
sprechungen konnte jedoch eine Einigung über die
Tariffrage nicht erreicht werden. Anfang 1827 wur-
den diese Konferenzen neuerdings aufgenommen,
und auf Grund vorläufiger Vereinbarung vom
12. April 1827 kam am 18. Jan. 1828 zwischen
Bayern, Württemberg und den beiden hohenzolle-
rischen Fürstentümern ein förmlicher Zollvereins-
vertrag zustande mit Wirksamkeit vom 1. Jan.
1829. Durch den Präliminarvertrag vom 27. Mai
1829, welcher am 1. Jan. 1830 in Kraft trat,
schlossen sich Bayern und Württemberg der preu-
ßisch = hessischen Zolleinigung an. Dieser Ver-
trag bestimmte, als Vorbereitung einer engeren
Verbindung, daß Waren inländischer Erzeu-
gung beim Übergang aus dem einen in den
andern Zollverein völlige Befreiung vom Aus-
und Durchgangszoll genießen sollten, außerdem
auch eine allmähliche Befreiung vom Eingangs-
zoll eintreten solle. Bezüglich der einer innern
Besteuerung unterliegenden Waren wurde die Er-
hebung von Ausgleichungsabgaben vereinbart.
Behufs Exzielung einer immer innigeren lberein-
stimmung der beiderseitigen Zollsysteme und Ver-
waltungsformen sollte alljährlich einmal ein Zu-
sammentritt der Bevollmächtigten der Vertrags-
staaten stattfinden. Von besonderer Wichtigkeit
war auch die Sicherung einer zollfreien Handels-
straße zwischen Preußen und Süddeutschland durch
Sachsen-Gotha und Sachsen-Meiningen im Weg
Zollverein.
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eines besondern Vertrags mit diesen beiden Län-
dern. Durch daspreußisch-bayrisch-württembergische
Abkommen erhielt der „Mitteldeutsche Handels-
verein“ einen schweren Stoß. Dieser war am
28. Sept. 1828 auf österreichische Anregung hin zu
Kassel gegründet worden, stand unter der Leitung
Kurhessens und umfaßte außer diesem noch Han-
nover, Sachsen, Oldenburg, die meisten thüringi-
schen Staaten, Bremen und Frankfurt a. M. Sein
Hauptzweck bestand darin, jeden weiteren Anschluß
mittel= und norddeutscher Staaten an Preußen zu
verhindern. Positive Arbeit konnte schon wegen
der gegensätzlichen handelspolitischen Anschauung
innerhalb des Vereins nicht geleistet werden.
Preußen war inzwischen der Anschluß Hessen-
Darmstadt an das preußische Zollsystem gelungen;
es wurde ein preußisch-hessischer Zollverein ge-
schlossen, vorläufig vom 14. Febr. 1828 bis
31. Dez. 1834. Hessen behielt seine eigene Zoll-
verwaltung, erhielt formelle Gleichberechtigung bei
der Zollgesetzgebung und Anteil am Reinertrag
nach der Bevölkerungszahl. Gleichfalls im Jahr
1828 schlossen sich auch Anhalt-Dessau und Anhalt-
Köthen diesem Zollverein ein. Der vor allem gegen
Preußen gerichtete „Mitteldeutsche Handelsverein“
ging auseinander, als Kurhessen, von Preußen mit
Umgehung der kurhessischen Handelswege bedroht,
1831 dem preußischen Zollverein beitrat. Am
22. März 1833 erklärten ihren Beitritt Bayern
und Württemberg, am 30. März das Königreich
Sachsen, am 11. Mai der „Thüringische Zoll-
und Handelsverein“, der sich tagszuvor gebildet
hatte, weil Preußen nicht mit allen Kleinstaaten
besonders unterhandeln wollte. So trat am 1. Jan.
1834 der deutsche Zollverein ins Leben.
Ihm schlossen sich 1835 noch Baden, Hessen-
Homburg und Nassau, 1836 Frankfurt, 1841
Braunschweig und Lippe, 1842 Luxemburg an.
Neben dem deutschen Zollverein war 1834 der
„Steuerverein“ gegründet worden, zu dem Han-
nover, Oldenburg, Braunschweig (bis 1841) und
Schaumburg-Lippe gehörten. Am 7. Sept. 1851
schloß sich jedoch (von 1854 ab) auch diese
Zollvereinigung dem großen Zollverein an, so
daß dieser nun das gesamte außerösterreichische
Deutschland mit Ausnahme von Holstein, Lauen-
burg, Mecklenburg und den Hansestädten umfaßte.
28 umfangreiche Dokumente bildeten die Grundlage
des deutschen, ursprünglich nur fiskalischen Zwecken
dienenden, Zollvereins; denn durch Aufhebung
aller Binnenzölle, Verlegung der Zölle an eine
gemeinschaftliche Grenze wurden die Erhebungs-
kosten bedeutend vermindert, der innere Verkehr
erheblich erleichtert, der Schmuggel im Innern
beseitigt und dadurch die Zollerträgnisse namhaft
gesteigert. Der Verein wurde zuerst auf 8, dann
regelmäßig auf 12 Jahre abgeschlossen. Sein
Organ war die Zollkonferenz, die jährlich aus
Bevollmächtigten der Vereinsstaaten gebildet wurde
und deren Beschlüsse mit Einstimmigkeit gefaßt
werden mußten. Eine gleichheitliche Gesetzgebung in