Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

1341 
dem Grad der gewerblichen Umarbeitung usw. 
verschieden hoch besieuert; man spricht dann vom 
Staffel= oder Gradationstarif (bzw. von Staffel- 
oder Gradationszöllen). 
Wenn, im Gegensatz zu Einheitszöllen, 
gegenüber verschiedenen Staaten ungleichmäßige 
Zollsätze zur Anwendung gelangen, dann spricht 
man von Differentialzöllen (1Unterschei- 
dungszöllen). Es sind das Mittel zum Ausbau 
eines Schutzzollsystems oder zur Erleichterung 
bzw. Erschwerung des Handelsverkehrs mit be- 
stimmten Staaten. Die Differentialzölle sind ent- 
weder Minderungen (Vorzugszölle) oder Zu- 
schläge zu den normalen Zollsätzen; so können z. B. 
von direkt aus dem Erzeugungsland eingeführten 
Waren niedrigere Zollsätze erhoben werden als 
von den aus andern Ländern eingeführten Waren. 
Auch nach der Art der Einfuhr, ob zu Land oder 
zu Wasser, nach der Flagge des Schiffes usw. 
können Zollunterschiede gemacht werden. Eine 
besondere Art der Differenzzölle sind die Kampf- 
jölle (Retorsionszölle), die zum Nachteil eines 
bestimmten Staats eingeführt werden, und zwar 
als Akt der Wiedervergeltung, wenn dieser durch 
zollpolitische oder sonstige wirtschaftspolitische Maß- 
nahmen die Interessen des eignen Landes schwer 
schädigt. Die Möglichkeit der Einführung solcher 
Zollzuschläge im Weg der Verordnung sieht die 
moderne Zollgesetzgebung allgemein vor (ogl. 
Sp. 1353). Bestehen zwischen zwei Staaten 
solche Kampfzölle, dann heißt dieser Zustand 
Zollkrieg. Ein solcher bestand z. B. 1903/10 
zwischen Deutschland und Kanada. Dieses hatte 
dem Mutterland England im Jahr 1900 eine 
Zollvergünstigung von 33 ½/ %% bewilligt. Deutsch- 
land verlangte auf Grund seines Meistbegünsti- 
gungsvertrags nun auch diesen Vorzugstarif für 
sich. Als Kanada dies ablehnte, wandte Deutsch- 
land auf Waren von dort seinen Generaltarif an, 
worauf Kanada die deutsche Einfuhr mit einem 
Zollzuschlag von ½ über seinen Generaltarif 
belegte. Erst durch das beiderseitig Zugeständnisse 
machende Abkommen vom 16. Febr. 1910 endete 
dieser Zollkrieg. 
Bei der Ausfuhr inländischer Erzeugnisse (z. B. 
Branntwein, Tabak usw.), die einer Verbrauchs- 
steuer unterliegen, kann im Interesse des Wett- 
bewerbs des inländischen Gewerbes auf dem Welt- 
markt eine Rückvergütung der gezahlten 
Verbrauchssteuer stattfinden, ebenso ist vielfach 
eine Zollrückvergütung (ein Rückzoll) zulässig 
bei der Wiederausfuhr aus dem Ausland ein- 
geführter Waren, auch dann, wenn diese Waren 
im Inland einer Umarbeitung unterworfen wur- 
den, wenn an Stelle des eingeführten Rohstoffs 
(z. B. rohe Baumwolle) oder Halbfabrikats (z. B. 
Baumwollengarn) fertige Waren (z. B. Baum- 
wollenunterkleider) in das Ausland abgeführt 
werden. Das deutsche Zollrecht kennt die Rückver- 
gütung von einmal gezahlten Zöllen als allge- 
meine Einrichtung nicht (nur bei Kakaowaren). 
Zollwesen. 
  
1342 
es ist vielmehr durch die Bestimmungen über 
Transitlager, fortlaufende Konten der Groß- 
handlungen (Zollkredit) und über den Verede- 
lungsverkehr ermöglicht, Waren ohne Zollent- 
richtung ins Inland zu bringen mit der Wirkung, 
daß die nachgewiesene Wiederausfuhr den staat- 
lichen Zollanspruch beseitigt. Die Rückvergütung 
des Zolls findet in der Regel auch nur dann statt, 
wenn die Identität der ausgeführten Ware mit 
der eingeführten nachgewiesen wird. In Deutsch- 
land wird vom Nachweis der Identität nur bei 
Getreide und Mühlenfabrikaten abgesehen (vol. 
Sp. 1349). — Von den Rückvergütungen scharf 
zu trennen sind die Ausfuhrprämien, ob- 
gleich diese sich vielfach aus ersteren entwickelt 
haben. Die Ausfuhrprämien sind staatliche Unter- 
stützungen zur Erleichterung der Ausfuhr gewisser 
Waren; das Inland soll, da die Produktion über 
den Bedarf hinausgeht, entlastet, die Konkurrenz 
im Ausland erleichtert werden. Man unterschei- 
det zwischen versteckten (indirekten) und offenen 
(direkten) Ausfuhrprämien. Die ersteren entstehen 
aus den Rückvergütungen, wenn nicht genau fest- 
zustellen ist, wieviel Zoll bzw. Steuer tatsächlich 
in der auszuführenden Ware steckt. Es ist das 
gewöhnlich der Fall, wenn fertige Waren (Fabri- 
kate) ausgeführt werden (z. B. Zucker), der Ein- 
fuhrzoll bzw. die Verbrauchssteuer aber von Roh- 
stoff erhoben wird (z. B. von der Zuckerrübe). 
Eine solche versteckte Prämie wird dann oft, im 
Interesse des betreffenden Industriezweiges, bei- 
behalten, auch wenn sie als solche erkannt ist, oder 
es tritt an ihre Stelle eine offene Prämie, d 
eine feststehende Summe bei der Ausfuhr einer 
bestimmten Menge einer Ware. Eine versteckte 
Prämie bestand in Deutschland lange Jahre zu- 
gunsten der einheimischen Rübenzuckerindustrie. 
Als 1891 an Stelle der Material-(Rüben-steuer 
die Fabrikatsteuer trat, wurde gleichzeitig eine 
offene Prämie für die Zuckerausfuhr geschaffen. 
Mit dem Inkrafttreten der Brüsseler Zuckerkon- 
vention (1903) wurde diese Prämie jedoch be- 
seitigt. Eine mit der Branntweinausfuhr ver- 
steckte Prämie fiel 1909, als die Material= und 
Maeischraumsteuer beseitigt wurde. — In neuester 
Zeit sind auch nichtstaatliche Ausfuhrprämien ent- 
standen, indem vielfach Kartelle an ihre Mit- 
glieder, welche den Innenmarkt durch Ausfuhr 
entlasten, Prämien zahlen und sich durch hohe 
Preise im Inland schadlos halten. 
Jeder Zoll bildet eine staatliche Einnahme- 
quelle, ganz gleich ob er nur zu Steuerzwecken 
geschaffen ist (Finanzzoll), oder ob politische, 
wirtschaftliche oder soziale Zwecke mit ihm ver- 
bunden sind (Schutzzoll). Eigentlicher Steuer- 
zoll ist jedoch nur der Finanzzoll, er ergänzt ent- 
weder die innere Verbrauchsbesteuerung oder er 
wird von Waren erhoben, welche im Inland nicht 
erzeugt werden, er zählt deshalb zu den Auf- 
wandsteuern. Beim Schutzzoll ist das finanzielle 
Erträgnis nicht das Wesentliche. Der Schutzzoll
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.