Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

119 
deckender Kommunalverwaltungsbezirke versteht, 
die Regel, während das Prinzip der reinen Real- 
teilung naturgemäß auf die wenigen höchsten 
Staatsbehörden, denen eine sich über das ganze 
Staatsgebiet erstreckende Kompetenz zusteht, be- 
schränkt ist, wobei eine zentrale Kommunalver= 
waltungsbehörde jedenfalls begrifflich nicht aus- 
geschlossen ist. Es sei noch erwähnt, daß man die 
Gliedstaaten eines Bundesstaats im Verhältnis 
zu diesem auch als Selbstverwaltungskörper be- 
zeichnet. Dies trifft jedoch nur insoweit zu, als 
der Bundesstaat ihnen bestimmte Aufgaben zur 
Durchführung zuweist. Soweit es sich um Akte 
handelt, die der Kompetenz des Bundesstaats nicht 
unterliegen, fehlt das der Selbst verwaltung 
charakteristische Moment, daß statt der Verwaltung 
durch möglichst Unbeteiligte eine solche durch die 
in besonderer Weise Beteiligten selbst (also hier 
die Bundesstaaten) vorgenommen wird. Dies 
gilt auch dann, wenn der Bundesstaat im Ver- 
hältnis zu den Gliedstaaten die Kompetenz-kom- 
petenz hat, in Bezug auf die dieser unterliegenden 
Gegenstände, solange der Bundesstaat nicht eine 
Erweiterung seines Zuständigkeitsumfangs vor- 
genommen und die Durchführung der betreffenden 
Aufgaben den Gliedstaaten übertragen hat. 
Die Tätigkeit der kommunalen Organe kann 
lediglich in einer Beihilfe bei der Auffindung 
dessen, was in concreto Recht ist, bestehen. Im 
wesentlichen wurden in dieser Weise z. B. tätig 
die auf Grund der kaiserlichen Verordnung vom 
3. Sept. 1899 vom Reichskanzler durch die Ver- 
ordnung, betreffend die Schaffung kommunaler 
Verbände in Deutsch-Ostafrika (vom 29. März 
1901), für einzelne Verbände aus den Angehörigen 
derselben gebildeten Bezirksräte. Sie haben fast 
nur beratende Stimme, d. h. die Aufgabe, dem 
beschließenden Organ bei seiner dezisiven Tätig- 
keit zu helfen. Auch diese Bezirksräte werden in 
Angelegenheiten tätig, bei denen sie selbst und die 
übrigen Angehörigen des Bezirks in besonderer 
Weise beteiligt sind, und zwar ist ihre Berufung 
vorgeschrieben zur Begutachtung des alljährlichen 
Wirtschaftsplans für den Bezirk und zur Prüfung 
der Rechnung über sämtliche Einnahmen und 
UAusgaben des verflossenen Rechnungsjahrs. Eine 
Eigentümlichkeitdieser S lbst liungsorgane im 
Gegensatz zu den gewöhnlichen Kommunalbeamten 
besteht darin, daß sie nicht, wie diese, von den 
Beteiligten gewählt werden, sondern direkt von 
der Staatsgewalt mit der Wahrnehmung gewisser 
ihnen und den übrigen Angehörigen des Bezirks 
gemeinsamer Angelegenheiten betraut werden. 
Im Gegensatz hierzu ist z. B. die Gemeinde ein 
Selbstverwaltungskörper mit außerordentlich weit- 
gehender Verwaltung. Sie hat die Erfüllung eines 
sehr großen Teils staatlicher Aufgaben in einem 
örtlich beschränkten Staatsteil zur Aufgabe (s. d. 
Art. Gemeinde). Die Gemeinde stellt im allge- 
meinen einen ursprünglichen Verband dar, den 
der Staat für seine Zwecke nicht neu zu schaffen, 
Staatsverwaltung ufw. 
  
120 
sondern zur Schaffung eines staatlichen Selbst- 
verwaltungsverbands nur zu benutzen brauchte, 
indem er die bisher von ihm geführte Verwaltung 
nicht mehr gleich sonstiger, durch das Recht nicht 
gebotener oder verbotener Untertanentätigkeit dul- 
dete, sondern sie — wenn auch mit gewissen von 
Zeit zu Zeit erneut vorgenommenen Modifi- 
kationen — kraft neu geschaffenen objektiven Rechts 
verlangte. Daneben hat der Staat aber noch 
Gemeindeverbände höherer Ordnung (Distrikte, 
Kreise, Bezirke, Provinzen usw.) ohne Benutzung 
vorhandener Institutionen geschaffen, denen nur 
einzelne wenige Aufgaben, hauptsächlich solche 
finanzieller Art, zur Erledigung überwiesen sind, 
und deren Kompetenz nicht wie die der Gemeinden, 
allgemein umgrenzt, sondern ganz speziell nor- 
miert ist. Sie nähern sich, da wegen der größeren 
Ausdehnung ihres Bezirks der Gegensatz der Ver- 
waltung durch in besonderer Weise beteiligte 
(Selbstverwaltung) und durch möglichst Unbe- 
teiligte (gewöhnliche Staatsverwaltung) nicht so 
sehr hervortritt, der Staatsverwaltung, die nicht 
als Selbstverwaltung zu bezeichnen ist. 
Einen weiteren Gegensatz innerhalb der Selbst- 
verwaltung stellt man mitunter auch dadurch auf, 
daß man die den Gemeinden überlassene Kom- 
munalverwaltung als wirtschaftliche Selbstverwal- 
tung, diejenige Selbstverwaltung dagegen, bei der 
die Mitwirkung der Interessierten nur in der Wahl 
der betreffenden Organe besteht, als „übertragene 
staatliche Selbstverwaltung“ bezeichnet. Diese 
Unterscheidung hat, da sie an den größeren bzw. 
geringeren Einfluß derjenigen, deren Angelegen- 
heiten verwaltet werden, auf diese Verwaltung 
anknüpft, nur relativen Wert. 
Als Korrelat für die weitgehende Berücksich- 
tigung des intellektualistischen Moments in Bezug 
auf die Selbstverwaltung dienen als Ausflüsse des 
voluntaristischen Prinzips die „staatlichen Auf- 
sichtsrechte“ gegenüber den Organen der Selbst- 
verwaltung, d. h. gewisse Amtskompetenzen, die 
Personen übertragen sind, welche, wie die Staats- 
beamten im allgemeinen, an der Verwaltung nicht 
in besonderer Weise interessiert sind. Diese Kom- 
petenzen haben auf denjenigen Gebieten einen ver- 
hältnismäßig geringen Umfang, in denen ursprüng- 
lich vorhandene und vom Staat für die Zwecke 
seiner Organisation benutzte Verbände tätig wer- 
den; daher haben sie in Bezug auf die Gemeinde- 
verwaltung in der Hauptsache nur das Be- 
stätigungs- oder Ablehnungsrecht gegenüber den 
von der Gemeinde gewählten Personen zum In- 
halt. Auf andern Gebieten, z. B. dem der Polizei- 
verwaltung, die gleichfalls wii in den Händen 
der Gemeindeorgane liegt, äußert dieses Staats- 
aussichtsrecht viel weiter gehende Wirkungen; es 
erstreckt sich hier z. B. auf den Inhalt einer jeden 
polizeilichen Maßregel, die die zuständigen Be- 
hörden zu ändern oder aufzuheben befugt sind. 
Der Unterschied in der Behördenorganisation 
ist also nicht nur der Haupt-, sondern im Grund
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.