1355
Grenzen und im Grenzbezirk für den Schutz und
die Erhebung der Zölle erforderlich sind. Die sog.
Zollausschüsse zahlen statt der Zölle und Ver-
brauchssteuern ein Aversum.
IV. In Osterreich-Angarn wurde 1867 auf
Grund der Gesetze von 1723 und 1867 das öster-
reichisch-ungarische Zoll- und Handelsbündnis auf
10 Jahre abgeschlossen, demgemäß beide Reichs-
teile während der Dauer dieses Bündnisses ein
Zoll= und Handelsgebiet mit einer gemeinsamen
Zollgrenze bilden, keiner der beiden Teile Zwischen-
zollinien errichten darf und die geltenden Zoll-
tarise und Zollgesetze nur im gemeinsamen Ein-
vernehmen der beiden Gesetzgebungskörper geändert
oder aufgehoben werden sollen. Nach Verlauf der
ersten 5 Jahre kann jeder Teil vom andern Teil
unablehnbare Unterhandlungen behufs Ande-
rungen beantragen. Wird binnen 6 Monaten
eine Einigung nicht erzielt, so steht jedem Teil
eine einjährige Kündigung frei. Am 1. Jan. 1879
erschien ein neues Zolltarifgesetz mit erhöhten Zoll-
sätzen, das bis 1. Juli 1882 in Kraft blieb. An
dessen Stelle trat 1882 der allgemeine Zolltarif
mit abermals erhöhten Zollsätzen und auf dem be-
reits 1878 maßgebenden Streben beruhend, die
Zölle als Finanzzölle auszubeuten. 1887 folgte
ihm das gegenwärtig geltende, die meisten land-
wirtschaftlichen Zölle erhöhende Zolltarifgesetz.
1882 wurden Bosnien, die Hercegovina, Dal-
matien und Istrien dem österreichisch-ungarischen
Zollgebiet einverleibt. Das Fürstentum Liechten-
stein gehört demselben seit 1852 durch besonderes
Staatsgesetz an. Triest und Fiume sind in zoll-
technischer Hinsicht noch Ausland, nur die Meist-
begünstigung findet auf die aus ihren Häfen
kommenden Waren Anwendung. Zollrecht und
Zollverfahren richten sich nach der durch die Zoll-
gesetze vom Mai 1882 und 1887 modifizierten
Staatsmonopolordnung vom 11. Juli 1835.
Die Behörden für das Zollstrafverfahren sind die
Gefälls= bzw. Hauptzollämter, letzte Instanz ist
das oberste Gefällsgericht. Die stetigen zollpoliti-
schen Reibereien zwischen Osterreich und Ungarn
(Industrie= und Agrarpolitik) haben das beider-
seitige Streben dieser Staaten im Gefolge, die
Zollgemeinschaft nach Ablauf des 1905 auf Grund
des gemeinsamen Zollgebiets geschlossenen, inter-
nationalen Handelsvertrags im Jahr 1917 wieder
aufzuheben. "
V. In der Schweiz schuf erst die Bundesverfas-
sung vom 12. Sept. 1848, welche das Zollwesen
dem Bund mit der Befugnis überwies, alle Innen-
zölle abzulösen und Ein-, Durch= und Ausgangs-
zölle zu erheben, ein einheitliches Zollsystem, indem
sie dem vor 1848 bestandenen Zustand, wonach
jeder Kanton seine eignen Zölle hatte, ein Ende
bereitete. Ehedem gab es in der Schweiz über-
haupt keine eidgenössischen Zölle, sondern nur ver-
schiedene kantonale und städtische Umgelder,
Marktzölle, Brücken-, Weggelder. Der Versuch
Zuchthaus — Zurechnungsfähigkeit.
(1799) einer einheitlichen Reglung der Ein= und
1356
Ausfuhrgebühren und Einführung eines einheit-
lichen Zolltarifs war bisher erfolglos geblieben.
1849 erschien ein bis 1884 in Geltung gebliebener
Zolltarif finanzieller Natur, wonach jede Ware
(mit wenigen Ausnahmen) eine mäßige Taxe
zahlte. Schutzzölle gab es nicht. Die Durchfuhr=
zölle wurden 1859 erheblich ermäßigt, hörten aber
erst 1868 ganz auf. Die neue Bundesverfassung
von 1874 überwies alle Kantonszölle dem Bund.
Das Jahr 1884 brachte wieder einen neuen, am
1. Jan. 1885 in Kraft getretenen, ebenfalls han-
delsfreiheitlichen Zolltarif, welchem schon 1887
ein neuer schutzzöllnerischer Zolltarif folgte mit
Geltung vom 1. März 1888 an. Der neueste,
1905 in Wirksamkeit getretene, namentlich den
Schutz der Landwirtschaft anstrebende Zolltarif
vom Dez. 1904 gilt jedoch nur mangels von Zoll-
verträgen mit andern Staaten oder bei deren Er-
löschen. Die auf Grund dieses Zolltarifs errichteten
neuen Handelsverträge brachten im allgemeinen
eine Zollerhöhung mit sich.
Literatur. Das Z. behandeln mehr oder weniger
eingehend vom volkswirtschaftlichen bzw. finanz-
wissenschaftlichen Standpunkt aus sämtliche Werke
über Finanzwissenschaft u. Steuerwesen, vom staats-
rechtlichen Gesichtspunkt aus die Lehr= u. Hand-
bücher des deutschen Staatsrechts. Als Spezialwerke
kommen in Betracht: v. Aufsees u. Wiesinger, Zölle
u. Steuern des Deutschen Reichs (?1900); Haven-
stein, Die Zollgesetzgebung des Deutschen Reichs
(21906); Hoffmann, Das deutsche Zollrecht 1
(1902); Trautvetter, Das neue deutsche Zolltarif-
recht (1905); Egner u. Schuemacher, Unser Zoll= u.
Steuerwesen (1907); Matlekowitz, Zollpolitik der
österr.-ungar. Monarchie u. des Deutschen Reichs
seit 1868 (1891); A. Huber, Entwicklung des eid-
genössischen Zollsystems (1890). Über die Geschichte
des Z.8 vgl. Falke, Gesch, des deutschen Z.s (1869)
u. die Literatur bei Art. Zollverein. Über die deut-
sche Zoll- bzw. Handelspolitik vgl. die Literatur
bei Art. Handel u. Handelspolitik.
Widder; Sacher.)
Zuchthaus s. Gefängniswesen.
Zunftwesen s. Innung.
Zurechnungsfähigkeit. I. Allgemei-
nes. PThilosophisches. Die Zurechnungsfähig-
keit besteht in jenem Zustand eines Menschen, ver-
möge dessen ihm eine Handlung und ihre Folgen
als von ihm und seinem freien Willen ausgehend
zugeschrieben werden können. Das Urteil, daß
eine Handlung oder ihre Folgen dem freien Willen
jemandes als ihrer bewirkenden Ursache zuzu-
schreiben sind, nennt man die Zurechnung (Im-
putation). Die Zurechenbarkeit (Imputabilität,
Imputierbarkeit) ist das Aktribut einer Handlung
oder deren Folgen und besteht in der Zurückführ-
barkeit derselben auf einen freien Willensakt als
auf ihre bewirkende Ursache. Zurechnungsfähig
sind nur mit freiem Willen begabte Wesen. Wesen,
die keinen freien Willen haben, können Tätigkeiten
ausüben, ihrer Tätigkeit können verschiedene Wir-
kungen zugeschrieben werden, aber sie können für
dieselben nicht verantwortlich gemacht werden; sie