Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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mut zu beweisen habe; damit wird auf eine wirk- 
liche Wiederherstellung der Ehre des Beleidigten 
verzichtet, da ein solcher Beweis des Muts die 
Meinung anderer nicht zu ändern vermag, ein 
Zweikampf aber mit lödlichen Waffen zum Beweis 
des Muts allein ist nicht statthaft. Der Verzicht 
auf den dem Duell trotz allem vorschwebenden 
Zweck geht soweit, daß manche Duellanhänger die 
Verleidigung dieser Sitte aus Gründen der Ver- 
nunft für entbehrlich erklären und nur noch geltend 
machen: das Duell sei ein von der Gesellschaft 
einmal auferlegtes konventionelles Mittel, eine 
Ehrenangelegenheit aus der Welt zu schaffen, und 
der einzelne habe sich dem gesellschaftlichen Brauch 
zu sügen. Allein auch ein Diktat der Gesellschaft 
und selbst ein von behördlicher Seite ausgeübter 
Zwang vermag nichts daran zu ändern, daß ein 
Zweikampf ein gänzlich ungeeignetes Mittel ist, 
die verletzte Ehre wieder herzustellen, und daß es 
sittlich unerlaubt ist, ohne nachweisbaren ent- 
sprechend wichtigen Zweck und dringende Not- 
wendigkeit sein eignes und ein fremdes Leben einer 
Gefahr auszusetzen. 
6. Die Geschichte des Duells, das sich 
trotz seines innern Widersinns und seiner Ver- 
urteilung durch kirchliche und staatliche und selbst 
militärische Gesetze durch die Jahrhunderte bis 
heute erhalten hat, ist nicht in allem vollkommen 
klargestellt. Was seinen Ursprung anbetrifft, geht 
es bei dem wesentlichen Unterschied, der nach dem 
oben Gesagten zwischen dem gerichtlichen Zwei- 
kampf und dem Duell besteht, nicht an, dieses von 
vornherein als Fortsetzung des ersteren zu erklären. 
Professor Dr Georg v. Brlow hat das Verdienst, 
dies und den undeutschen Ursprung der Sitte be- 
leuchtet zu haben. Auch aus den Turnieren, die 
ein reines Waffenspiel bildeten, und dem Fehde- 
recht des Mittelalters läßt es sich nicht herleiten. 
Richtiger wird das Duell wohl vor allem als ein 
Ausfluß der Kampfeslust betrachtet, wie er bei dem 
Kriegerstand und den Ständen (Adel, Studenten), 
welche die Silte und das Vorrecht des Waffen- 
tragens noch lange beibehielten, erklärlich ist, wo- 
bei Uberlieferungen des gerichtlichen Zweikampfs 
und ritterlicher Sitten immerhin nachgewirkt haben 
mögen. Vollends für Deutschland ist das Duell 
nicht als bloße Weiterbildung mittelalterlicher 
Gebräuche anzusehen, da es hier lange nach ihrem 
Erlöschen aufstritt und die Regeln des Duells all- 
zudeutlich auf romanischen, besonders französischen 
Ursprung hinweisen. Zumindest ist es also un- 
richtig, darin eine urdeutsche Einrichtung zu er- 
blicken. In Spanien und Italien läßt sich aus 
kirchlichen und weltlichen Verfügungen das Auf- 
treten des privaten Ehrenzweikampfs um die 
Wende des 15. und 16. Jahrh. nachweisen. 
Franz I. von Frankreich führte den Vorsitz bei 
vielen Duellen, zu deren Abhaltung der Adel der 
Bewilligung des Königs bedurfte. Unter den 
letzten Valois feierte die Duellunsitte am franzö- 
sischen Hof wahre Orgien, sowohl was die Zahl 
Zweikampf. 
  
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als die Grausamkeit der Kämpfe und das tätige 
Eingreifen der Sekundanten angeht. Heinrich III. 
erließ zwar 1575 und 1579 die Edikte von Blois 
zur Bekämpfung der Sitte, nachdem schon Karl IX. 
im Jahr 1566 durch die Verordnung von Mar- 
chois dasselbe versucht hatte; er beförderte aber 
anderseits ihr Statlfinden durch seine Anwesen- 
heit. Ebenso folgte Heinrich IV. 1599 und 1602 
mit weiteren scharfen Verboten, gewährte aber 
1589/1608 7000 Begnadigungen. Die Duell- 
raserei, welche Hunderten französischer Adliger 
im Jahr das Leben kostete, kam erst zum Still- 
stand, als Kardinal Richelien (1626) die Heraus- 
forderung mit Verlust von Amt und Titel, mit 
halber Vermögenskonfiskation und dreijähriger 
Verbannung bedrohte, diese Strafen auch aus- 
führte und nach wiederholten Duellen zur Hin- 
richtung eines Montmorench schritt. Unter Lud- 
wig XIV. trat eine weitere Besserung ein, beson- 
ders durch eine vom Hof geförderte gesellschaftliche 
Vereinigung von Duellgegnern und die im Jahr 
1643 geschaffenen Ehrengerichte der Marschälle 
von Frankreich, an welche der Adel für seine 
Ehrenstreitigkeiten verwiesen wurde. Diesem fran- 
zösischen Vorbild hat nun Deutschland sein Duell- 
wesen zu verdanken. Im 16. Jahrh. verpflanzten 
Deutsche, welche in den französischen Bürgerkriegen 
mitgekämpft hatten, die Gebräuche des Duells in 
ihre Heimat und zur Zeit des 30jährigen Krieges 
wurden sie durch die Überschwemmung Europas 
mit französischen Heeren weiter verbreitet. Vor der 
Mitte des 16. Jahrh. sind gewisse Nachrichten 
über das Aufkommen des Duells in Deutschland 
nicht bekannt. 1617 erließ Kaiser Matthias ein 
Duellverbot, welches diese „Exzesse“ als undeutsch 
geißelte und die Obrigkeiten anwies, „den In- 
jurierten gebührende Satisfaktion schleunigst wider- 
fahren zu lassen“; diese sollte in Widerruf, Ab- 
bitte, Ehrenerklärung und öffentlicher Bestrafung 
bestehen. Seinem Beispiel folgten mehrere seiner 
Nachfolger und viele deutsche Fürsten durch Er- 
lassung oft scharfer Edikte, besonders auch nach 
dem, wie es scheint, nicht allgemein verlautbarten 
Reichsgutachten von 1688. Schon 1652 wollte 
der große Kurfürst jeden Teilnehmer an einem 
Duell mit dem Tod durch den Strang bestraft 
wissen, während der preußische König Friedrich 
Wilhelm I. die Todesstrafe nur für den tödlichen 
Ausgang bestimmte. Besonders hervorzuheben ist 
das entschiedene Auftreten Kaiser Josephs II. und 
des preußischen Königs Friedrich II. gegen sich 
duellierende Osfiziere. Entschiedene Aussprüche 
großer Heerführer (Erzherzog Karl, Radetzky, 
Blücher) zeigen, daß die sog. offiziersmäßigen An- 
schauungen in dieser Frage noch vor weniger als 
einem Jahrhundert lange nicht die Geltung von 
heute besaßen. Niemals gewann das Duell unter 
dem deutschen Adel annähernd die Verbreitung, 
zu der es in Frankreich gelangt war. Dafür führte 
das Vorrecht der Studenten, Waffen zu tragen, 
zu besonderer Ausbildung (übrigens auch in Frank- 
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