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mut zu beweisen habe; damit wird auf eine wirk-
liche Wiederherstellung der Ehre des Beleidigten
verzichtet, da ein solcher Beweis des Muts die
Meinung anderer nicht zu ändern vermag, ein
Zweikampf aber mit lödlichen Waffen zum Beweis
des Muts allein ist nicht statthaft. Der Verzicht
auf den dem Duell trotz allem vorschwebenden
Zweck geht soweit, daß manche Duellanhänger die
Verleidigung dieser Sitte aus Gründen der Ver-
nunft für entbehrlich erklären und nur noch geltend
machen: das Duell sei ein von der Gesellschaft
einmal auferlegtes konventionelles Mittel, eine
Ehrenangelegenheit aus der Welt zu schaffen, und
der einzelne habe sich dem gesellschaftlichen Brauch
zu sügen. Allein auch ein Diktat der Gesellschaft
und selbst ein von behördlicher Seite ausgeübter
Zwang vermag nichts daran zu ändern, daß ein
Zweikampf ein gänzlich ungeeignetes Mittel ist,
die verletzte Ehre wieder herzustellen, und daß es
sittlich unerlaubt ist, ohne nachweisbaren ent-
sprechend wichtigen Zweck und dringende Not-
wendigkeit sein eignes und ein fremdes Leben einer
Gefahr auszusetzen.
6. Die Geschichte des Duells, das sich
trotz seines innern Widersinns und seiner Ver-
urteilung durch kirchliche und staatliche und selbst
militärische Gesetze durch die Jahrhunderte bis
heute erhalten hat, ist nicht in allem vollkommen
klargestellt. Was seinen Ursprung anbetrifft, geht
es bei dem wesentlichen Unterschied, der nach dem
oben Gesagten zwischen dem gerichtlichen Zwei-
kampf und dem Duell besteht, nicht an, dieses von
vornherein als Fortsetzung des ersteren zu erklären.
Professor Dr Georg v. Brlow hat das Verdienst,
dies und den undeutschen Ursprung der Sitte be-
leuchtet zu haben. Auch aus den Turnieren, die
ein reines Waffenspiel bildeten, und dem Fehde-
recht des Mittelalters läßt es sich nicht herleiten.
Richtiger wird das Duell wohl vor allem als ein
Ausfluß der Kampfeslust betrachtet, wie er bei dem
Kriegerstand und den Ständen (Adel, Studenten),
welche die Silte und das Vorrecht des Waffen-
tragens noch lange beibehielten, erklärlich ist, wo-
bei Uberlieferungen des gerichtlichen Zweikampfs
und ritterlicher Sitten immerhin nachgewirkt haben
mögen. Vollends für Deutschland ist das Duell
nicht als bloße Weiterbildung mittelalterlicher
Gebräuche anzusehen, da es hier lange nach ihrem
Erlöschen aufstritt und die Regeln des Duells all-
zudeutlich auf romanischen, besonders französischen
Ursprung hinweisen. Zumindest ist es also un-
richtig, darin eine urdeutsche Einrichtung zu er-
blicken. In Spanien und Italien läßt sich aus
kirchlichen und weltlichen Verfügungen das Auf-
treten des privaten Ehrenzweikampfs um die
Wende des 15. und 16. Jahrh. nachweisen.
Franz I. von Frankreich führte den Vorsitz bei
vielen Duellen, zu deren Abhaltung der Adel der
Bewilligung des Königs bedurfte. Unter den
letzten Valois feierte die Duellunsitte am franzö-
sischen Hof wahre Orgien, sowohl was die Zahl
Zweikampf.
1382
als die Grausamkeit der Kämpfe und das tätige
Eingreifen der Sekundanten angeht. Heinrich III.
erließ zwar 1575 und 1579 die Edikte von Blois
zur Bekämpfung der Sitte, nachdem schon Karl IX.
im Jahr 1566 durch die Verordnung von Mar-
chois dasselbe versucht hatte; er beförderte aber
anderseits ihr Statlfinden durch seine Anwesen-
heit. Ebenso folgte Heinrich IV. 1599 und 1602
mit weiteren scharfen Verboten, gewährte aber
1589/1608 7000 Begnadigungen. Die Duell-
raserei, welche Hunderten französischer Adliger
im Jahr das Leben kostete, kam erst zum Still-
stand, als Kardinal Richelien (1626) die Heraus-
forderung mit Verlust von Amt und Titel, mit
halber Vermögenskonfiskation und dreijähriger
Verbannung bedrohte, diese Strafen auch aus-
führte und nach wiederholten Duellen zur Hin-
richtung eines Montmorench schritt. Unter Lud-
wig XIV. trat eine weitere Besserung ein, beson-
ders durch eine vom Hof geförderte gesellschaftliche
Vereinigung von Duellgegnern und die im Jahr
1643 geschaffenen Ehrengerichte der Marschälle
von Frankreich, an welche der Adel für seine
Ehrenstreitigkeiten verwiesen wurde. Diesem fran-
zösischen Vorbild hat nun Deutschland sein Duell-
wesen zu verdanken. Im 16. Jahrh. verpflanzten
Deutsche, welche in den französischen Bürgerkriegen
mitgekämpft hatten, die Gebräuche des Duells in
ihre Heimat und zur Zeit des 30jährigen Krieges
wurden sie durch die Überschwemmung Europas
mit französischen Heeren weiter verbreitet. Vor der
Mitte des 16. Jahrh. sind gewisse Nachrichten
über das Aufkommen des Duells in Deutschland
nicht bekannt. 1617 erließ Kaiser Matthias ein
Duellverbot, welches diese „Exzesse“ als undeutsch
geißelte und die Obrigkeiten anwies, „den In-
jurierten gebührende Satisfaktion schleunigst wider-
fahren zu lassen“; diese sollte in Widerruf, Ab-
bitte, Ehrenerklärung und öffentlicher Bestrafung
bestehen. Seinem Beispiel folgten mehrere seiner
Nachfolger und viele deutsche Fürsten durch Er-
lassung oft scharfer Edikte, besonders auch nach
dem, wie es scheint, nicht allgemein verlautbarten
Reichsgutachten von 1688. Schon 1652 wollte
der große Kurfürst jeden Teilnehmer an einem
Duell mit dem Tod durch den Strang bestraft
wissen, während der preußische König Friedrich
Wilhelm I. die Todesstrafe nur für den tödlichen
Ausgang bestimmte. Besonders hervorzuheben ist
das entschiedene Auftreten Kaiser Josephs II. und
des preußischen Königs Friedrich II. gegen sich
duellierende Osfiziere. Entschiedene Aussprüche
großer Heerführer (Erzherzog Karl, Radetzky,
Blücher) zeigen, daß die sog. offiziersmäßigen An-
schauungen in dieser Frage noch vor weniger als
einem Jahrhundert lange nicht die Geltung von
heute besaßen. Niemals gewann das Duell unter
dem deutschen Adel annähernd die Verbreitung,
zu der es in Frankreich gelangt war. Dafür führte
das Vorrecht der Studenten, Waffen zu tragen,
zu besonderer Ausbildung (übrigens auch in Frank-
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