Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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im Zug befindlichen Umarbeit des Strafgesetzes 
durch mildere, aber ausführbare ersetzt werden, so 
daß z. B. die Strafe für die Herausforderung 
oder ihre Annahme Gesängnis oder Haft von einer 
Woche bis zu einem Jahr in eventueller Verbin- 
dung mit einer Geldstrafe bis zu 10 000 K und 
die Strafe für den Zweikampf ohne schwerere Be- 
dingungen Gefängnis oder Hast von zwei Wochen 
bis zu zwei Jahren in eventueller Verbindung 
mit einer Geldstrafse bis zu 20 000 K betragen 
soll. Auch hier wird somit eine zu milde Be- 
handlung des Zweikampfdelikts vorgeschlagen. 
Im Gegensatz zu den kirchlichen Bestimmungen, 
nach welchen die beim Duell beteiligten ürzte 
als strafbar gelten, soweit die von ihnen in Aus- 
sicht gestellte Hilfe die Kämpfenden in ihrer Ab- 
sicht bestärkt, gehen Arzte in den neueren staat- 
lichen Strafgesetzen ohne Strafe aus, nur das 
spanische enthält einen Anklang an jene, indem es 
die Straflosigkeit auf den Fall beschränkl, daß der 
Arzt nicht Kampfregeln festgesetzt noch zur Fort- 
setzung des Kampfs ermuntert hat. Die Straf- 
gesetze der meisten Länder folgen somit dem 
Grundsatz, daß der Tatbestand des Zweikampfes 
durch besondere Strafbestimmungen zu treffen ist. 
Von duellgegnerischer Seite wurde dagegen viel- 
fach Stellung genommen, weil in solchen Sonder- 
bestimmungen eine Privilegierung des Duells zu 
erblicken sei, und verlangt, daß die im Zweikampf 
vorkommenden Körperbeschädigungen und Tö- 
tungen nach den allgemeinen diesbezüglichen Be- 
stimmungen bestraft würden. Dabei wurde aber 
übersehen, daß von diesem Standpunkt aus es 
nicht möglich ist, die Herausforderung als solche, 
und kaum möglich, das unblutige Duell einer Be- 
strafung zuzuführen. Die in Frankreich gemachten 
Erfahrungen zeigen, daß beim Schweigen des 
Gesetzes über das Duell nicht bloß die eben er- 
wähnten Tatbestände straflos bleiben, sondern 
auch bei Tötung oder Verletzung im Duell die 
Geschwornen sich scheuten, die allgemeinrechtlichen 
schwereren Strasen auf Duellanten anzuwenden, 
und es zu gänzlichen Freisprüchen kam. Nach 
ähnlichen Erfahrungen schritt man in Spanien, 
wo das Strasgesetz von 1822 den Zweikampf 
ebenfalls nicht erwähnt hatte, im Jahr 1870 zur 
Aufnahme von Sonderbestimmungen. Auf Nor- 
wegen oder etwa England kann man sich nicht be- 
rufen, da der Zweikampf dort keine Rolle spielt. 
In den Ländern, wo für die Angehörigen des 
Heeres eine eigne Gerichtsbarkeit besteht, nament- 
lich in Deutschland und Osterreich-Ungarn, ent- 
halten in Übereinstimmung mit den bürgerlichen 
Strafgesetzbüchern auch die Militärstrafgesetze 
Strafbestimmungen gegen das Duell. Das sog. 
amerikanische Duell, bei welchem das Los darüber 
entscheidet, welcher der beiden Streitenden gehalten 
ist, sich in bestimmter Zeit selbst zu köten, qualifi- 
ziert sich als Anreizung zum Selbstmord, so daß 
eine gesetzliche Bestrafung mit Recht gefordert 
wird. Wichtiger ist die strafrechtliche Behandlung 
Zweikampf. 
  
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der studentischen Mensur, welche, da die direkte 
Absicht auf Zufügung eines körperlichen Schadens 
gerichtet ist, nicht als bloßer Sport gedeutet wer- 
den kann und vielmehr als unberechtigte Körper- 
beschädigung und Schule des Duells erscheint. 
Seit der Entscheidung der vereinigten Strassenate 
des deutschen Reichsgerichts vom 6. März 1883 
wird die Mensur als Zweikampf bestraft. Er- 
scheint dies zu streng, weil der studentischen Waffe 
durch die getroffenen Schutzmaßregeln die Eigen- 
schaft einer tödlichen Waffe genommen ist, und soll 
die Mensur nicht nach den allgemeinen Bestim- 
mungen über körperliche Mißhandlung behandelt 
werden, so erübrigt nur der Ausweg, sie nach der 
Anologie des Duells mit einer, wenn auch ge- 
ringeren Strafe zu bedrohen. Ihre ausdrückliche 
Strafloserklärung bei den im Zug befindlichen 
strafrechtlichen Resormen würde einen Sieg des 
Duellgedankens bedeuten. 
Hat somit die staatliche Autorität in ziemlich 
allgemeiner Ubereinstimmung an der seit Jahr- 
hunderten überlieferten, den religiösen, katholischen 
wie protestantischen, Grundsätzen allein entspre- 
chenden gesetzlichen Bestrafung des Zweikampfs 
festgehalten, so ist diese Haltung seit einigen Jahr- 
zehnten einigermaßen ins Schwanken geraten. Es 
geschah dies durch das Walten einer staatlichen 
Einrichtung, welche ihrem ersten Gedanken nach 
zu gütlicher Beilegung der Ehrenstreitigkeiten und 
zur Bekämpfung des Duells berufen war, in ihrer 
Weiterentwicklung aber zu einer Systematisierung 
der Duellsitte geführt hat. Der unter dem preußi- 
schen König Friedrich II. im Jahr 1785 erschienene 
Entwurf zum preußischen Landrecht schlug neben 
strenger Bestrafung des Duells für Ehrenstreitig= 
keiten allgemein Ehrengerichte von Standesge- 
nossen, Militär= wie Zivilpersonen, vor. Der Ge- 
danke wurde jedoch unter Friedrich Wilhelm II. 
infolge militärischer Bedenken fallen gelassen. Im 
Zusammenhang mit diesen Bestrebungen steht wohl 
der denkwürdige bayrische Regierungsentwurf über 
die Errichtung von Ehrengerichten, der im Jahr 
1827 in den dortigen Kammern leider nicht zur 
Annahme gelangte. Statt dessen erfolgte zunächst 
in Preußen die Einführung von Ehrengerichten 
mit der Beschränkung auf die Offiziere der Armee. 
Bis dahin waren die Offiziersduelle einzelne Er- 
scheinungen für sich, mehr freiwillige und immerhin 
strafbare Handlungen, mit welchen dem in mehr 
unbestimmter Weise vorhandenen Vorurteile der 
Tribut entrichtet wurde; seitdem aber die militäri- 
schen Ehrengerichte begannen, über der Austragung 
der Ehrenaffären durch einen Waffengang als 
einer Pflicht des Offiziers zu wachen, wurde der 
Zweikampf zu einem Prinzip, zu einer Zwangs- 
einrichtung erhoben, der sich ein Offizier nur unter 
Verlust seiner Stellung und seiner Existenz ent- 
ziehen kann. Es ist richtig, daß nach den geltenden 
Verordnungen die Duelle nicht durch Entschei- 
dungen der Ehrengerichte förmlich aufgetragen 
werden, allein ihre Unterlassung wird durch ehren-
	        
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