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haben inzwischen zur Aufhebung des Hilfskassen-
gesetzes geführt. Diese Kassen waren von der ein-
heitlichen Reglung des privaten Versicherungs-
wesens in Deutschland nach seiner öffentlich-recht-
lichen Seite durch das Reichsgesetz vom 12. Mai
1901 nach § 122 dieses Gesetzes ausgenommen.
Diese Ausnahmestellung, die sie mit den sonstigen
im § 122 aufgeführten Versicherungsunterneh-
mungen teilten, war nicht durch ihr Wesen und
ihre rechtliche Natur bedingt, sondern beruhte
lediglich auf dem Umstand, daß für jene Kassen
bereits eine eigne gesetzliche Reglung bestand, von
welcher abzugehen damals noch kein ausreichender
Anlaß vorlag. Die weiteren Erfahrungen haben
aber ergeben, daß die Mißstände auf dem Gebiet
des Hilfskassenwesens (Ausbeutung der Mitglieder
durch die Vorstände usw.) dringend Abhilfe er-
heischten. Sie waren im wesentlichen durch die
Mängel des Gesetzes, insbesondere das System
der Normativbestimmungen und der beschränkten
materiellen Beaufsichtigung verschuldet. Im An-
schluß an die im Art. Hilfskassen (Bd II,
Sp. 1238) erwähnten beiden ersten Entwürfe
wurde dem Reichstag am 28. Jan. 1911 der
Entwurf eines Gesetzes, betr. die Auf-
hebung des Hilfskassengesetzes vor-
gelegt, der nach einigen Anderungen angenommen
und unter dem 20. Dez. 1911 zum Gesetz ge-
worden ist. Aus seinem Inhalt ist im wesentlichen
folgendes zu erwähnen: Mit dem Inkrafttreten
des neuen Gesetzes wird das Hilfskassengesetz
seinem ganzen Umfang nach aufgehoben. Neue
Hilfskassen können als solche von da ab weder
zugelassen noch eingetragen werden. Von dem
gleichen Zeitpunkt ab finden auf die bisherigen
Italien.
und Art. 25 des Ein
1440
wird, gelten an sich nicht als Grund zur Ver-
sagung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nach
dem Gesetz über die privaten Versicherungsunter-
nehmungen. Versicherungsvereine, deren Lei-
stungen in den Grenzen des 8 508 der R.V.O.
bleiben, sind jedenfalls dann als kleinere Vereine
im Sinn des Gesetzes über die privaten Ver-
gen anzuerkennen, wenn sie
kein Sterbegeld oder höchstens ein solches von
300 M gewähren. Sie genießen dann die in
jenem Gesetz für kleinere Vereine vorgesehenen
Erleichterungen. Diese Vereine haben als Rück-
lage mindestens den Betrag der Jahresausgabe
nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre zu
sammeln und zu erhalten. Das Statut regelt die
Verfassung und Befugnisse des Vereins, insbe-
sondere den Zusammentritt der Generalversamm-
lung. Der Rechtsweg darf wegen der Mitglieder-
ansprüche nicht ausgeschlossen werden. Ein Schieds-
verfahren ist mit gewissen Maßgaben zulässig.
Es können örtliche Verwaltungsstellen und durch
besondere Satzungen Verbände von Versicherungs-
vereinen errichtet werden für besonders im Gesetz
bezeichnete Zwecke (Anstellung gemeinsamer Be-
amten und Arzte usw. und zur Heilfürsorge usw.).
Auf Grund des Hilfskassengesetzes oder landes-
rechtlich zugelassene Versicher
und Hilfskassen bedürfen vorbehaltlich des 8 503
der R.V.O. zur Fortsetzung ihrer bisherigen
Tätigkeit keiner Erlaubnis nach dem Gesetz über
die privaten Versicher s Wegen
der Zulassung der Versicherungsvereine auf Gegen-
seitigkeit als Ersatzkassen im Sinn der R.V.O.
vgl. Nachtrag Sozialversicherung (BdV, Sp. 1492)
.H-Ges. zur R.V. O. Das
sicher
Hilfskassen und die später zu errichtenden Unter= Gesetz ändert endlich noch, soweit erforderlich, das
nehmungen gleicher Art die Vorschriften des Ver-Gesetz über den Versicherungsvertrag und bestimmt
sicherungsaussichtsgesetzes vom 12. Mai 1901 mit sofortiger Gesetzeskraft, daß der Beschluß über
Anwendung, insbesondere sein Abschnitt III, da Auflösung oder Vereinigung einer eingeschriebenen
die Hilfskassen rechtlich Versicherungsvereine auf Hilfskasse mit einem andern Unternehmen von der
Gegenseitigkeit darstellen. Damit ist eine wirk- # Behörde zu genehmigen ist, welche nach dem Gesetz
same Aussicht gewährleistet. Demgemäß ist der über die privaten Versicherungs
§122 des Gesetzes vom 12. Mai 1001 geändert, zuständig wäre, wenn die Hilfskasse diesem Gesetz
in dem zugleich bestmmt ist, daß die Landes= unterstände. Im übrigen wird der Tag, mit dem
regierungen die im § 75, Abs. 4 des Kranken= die sonstigen Vorschriften des neuen Gesetzes in
versicherungsgesetzes bezeichneten landesrechtlichen Kraft treten, durch Kaiserliche Verordnung mit
Hilfskassen dem neuen Gesetz unterwersen können. Zustimmung des Bundesrats bestimmt.
Die Vorschriften der Reichs= und Landesgesetze, [Witowski.)
die sich auf die eingeschriebenen Hilfskassen und Italien. Im Herbst 1911, während noch
ihre Mitglieder beziehen, gelten für die Ver= die Marokkofrage ganz Europa in Spannung
sicherungevereine auf Gegenseitigkeit, die zum Be= hielt, hat Italien seine alten Absichten auf Tripo-
trieb der Versicherung ihrer Mitglieder gegen litanien durchgeführt. Im stillen Einverständnis
Krankheit befuat sind, und für diese Mitglieder, mit England und Frankreich, aber ohne den beiden
z. B. 8§ 1508. 1420 der Reichsverficherungs= Dreibundsgenossen etwas über seine Absicht ver-
ordnung (R.V. O.). §*4, Nr 3 des Gesetzes, betr. lauten zu lassen, sandte die italienische Regierung
das Reichsschuldbuch und 8 190 des Gesetzes uͤber am 28. Sept. ein Ultimatum an die Türkei mit
den Versicherungsvertrag. Die religiöse oder poli- 24stündiger Frist, das mit Rücksicht auf die vitalen
tische Uberzeugung, ihre Betäligung außerhalb Interessen Ilaliens in Tripolis und deren an-
der Dienstgeschäfte und die Ausübung des Ver- gebliche Schädigung durch die türkische Behörde
einsrechts durch Mitglieder, Vorstand oder An- die gutwillige Abtretung der Souveränität über
gestellte, soweit nicht gegen das Gesetz verstoßen Tripolis forderte oder mit dessen gewaltsamer