Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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nur innerhalb 5 Jahren von dieser Rechtskraft 
an. Die Wiederaufnahme kann auch von Amts 
wegen erfolgen. Verspätete oder unzulässige An- 
träge können ohne mündliche Verhandlung vom 
Vorsitzenden zurückgewiesen werden. Binnen einer 
Woche kann die Entscheidung der zuständigen 
Stelle angerufen werden. Den Streit zwischen 
mehreren Versicherungsträgern, wer von ihnen die 
an sich unbestrittene Entschädigung zu leisten habe, 
entscheidet das Reichsversicherungsamt. Mehrere 
beteiligte Versicherungsträger können die Ent- 
schädigung unter sich verteilen oder durch das 
Reichsversicherungsamt verteilen lassen. Die An- 
wartschaft auf Witwenrente kann vor Eintritt der 
Invalidität durch einen Anwartschaftsbescheid fest- 
gestellt werden. Für die Seeunfallversicherung 
gilt die besondere Vorschrift, daß Unfälle auf der 
Seereise in dem Schiffsjournal einzutragen und 
einem Seeamt baldigst mitzuteilen sind. Für die 
Unfalluntersuchung gelten ebenfalls den Umständen 
angemessene besondere Vorschriften. 
Neben dem bisher geschilderten Feststellungs- 
verfahren kennt das Gesetz noch ein anderes Spruch- 
verfahren, in dem vor allem Ersatz= und Erstat- 
tungsansprüche entschieden werden. Es entspricht 
im allgemeinen dem Feststellungsverfahren. Als 
erste Instanz entscheidet das Versicherungsamt. 
Soweit das Gesetz nicht das Spruchver- 
fahren vorschreibt, ergehen die Entscheidungen 
der Versicherungsbehörden im Beschluß- 
verfahren. Das Gesetz bestimmt, welche 
Beschlußsachen durch Beschlußausschuß, Beschluß- 
kammer oder Beschlußsenat, d. h. auf Grund 
mündlicher nicht öffentlicher Verhandlung unter 
Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern 
zu entscheiden sind. Soweit das Gesetz nichts an- 
deres vorschreibt, ist gegen die Entscheidungen der 
Versicherungsträger Beschwerde zulässig, und 
zwar in Sachen der Unfallversicherung an das 
Oberversicherungsamt, im übrigen an das Ver- 
sicherungsamt. Gegen die Entscheidungen des 
Versicherungsamts in erster Instanz ist Beschwerde 
an das Oberversicherungsamt zulässig, gegen dessen 
Entscheidungen in erster Instanz Beschwerde an 
das Reichsversicherungsamt. Die weitere Be- 
schwerde gegen die auf Beschwerde erlassene Ent- 
scheidung geht an die entsprechende höhere Instanz, 
die darüber endgültig entscheidet. An Stelle des 
Reichsversicherungsamts entscheidet das Landes- 
versicherungsamt, wenn der Bezirk keines der be- 
teiligten Versicherungsträger über das Gebiet des 
Bundesstaats hinausgeht, für den das Landes- 
versicherungsamt errichtet ist. Das Verfahren vor 
den Versicherungsbehörden ist im allgemeinen ge- 
bührenfrei. Mutwillig verursachte Kosten können 
dem Beteiligten auferlegt werden. In Spruch- 
sachen der Krankenversicherung wird vom Ober- 
versicherungsamt dem Unterliegenden eine mäßige 
Gebühr aufgelegt. Die Vergütung für die Tätig- 
keit der Rechtsanwälte vor den Versicherungs- 
behörden bestimmt sich nach einer besondern Kaiser- 
Sozialversicherung. 
  
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lichen Verordnung; eine Vereinbarung höherer 
Beträge ist nichtig. — 
Das Einführungsgesetz zur Reichsver- 
sicherungsordnung bestimmt, daß diese, soweit es 
sich um die Maßnahmen zu ihrer Durchführung 
handelt, sofort in Kraft tritt. Die Vorschriften des 
4. Buchs und die zu ihrer Durchführung erfor- 
derlichen andern Vorschriften treten mit dem 1. Jan. 
1912 in Kraft. Mit diesem Tag werden die Vor- 
schriften des § 15 des Zolltarifgesetzes vom 
25. Dez. 1902 aufgehoben. Der Hinterbliebenen- 
versicherungsfonds (Gesetz vom 8. April 1907) ist 
zu den Reichszuschüssen für die Hinterbliebenen- 
versicherung zu verwenden. Die Verwaltung dieses 
Fonds übernimmt das Reichsschatzamt unter Auf- 
sicht der Reichsschuldenkommission. Die Bestim- 
mungen des Gesetzes über die Verwaltung des 
Reichsinvalidenfonds usw. vom 1. Juni 1909 
tritt hinsichtlich des Hinterbliebenenversicherungs- 
sonds mit dem 1. Okt. 1911 außer Kraft. Die 
Tage, mit denen die übrigen Vorschriften der 
Reichsversicherungsordnung in Kraft treten, wer- 
den durch Kaiserliche Verordnung bestimmt. Der 
Bundesrat kann über die Erstreckung der Amts- 
dauer der gegenwärtigen Vertreter der Arbeitgeber 
und der Versicherten bis zum 31. Dez. 1914 be- 
stimmen. Mit dem Inkrafttreten der einzelnen 
Teile der Versicherungsordnung treten die ent- 
sprechenden bisherigen Vorschriften außer Kraft. 
Soweit die neugeschaffenen Behörden noch nicht 
bestehen, treten für ihre Aufgaben die entsprechen- 
den jetzigen Stellen ein. Die Überleitung der Ge- 
schäfte von diesen auf die neuen Behörden ist ge- 
regelt. Für die Krankenversicherung im besondern 
wird angeordnet, daß eine Kaiserliche Verordnung 
den Tagbestimmt, bis zu dem alle Gemeindekranken- 
versicherungen geschlossen sein müssen, ebenso den 
Tag, bis zu dem bestehende Ortskrankenkassen für 
einzelne Erwerbszweige oder Betriebsarten und 
bestehende Betriebs- und Innungskrankenkassen 
sowie eingeschriebene Hilfskassen die Zulassung 
beantragen können. Die sachlichen Voraussetzungen 
der Zulassung werden näher geregelt. Es folgen 
weitere zum Teil dauernd geltende Ausführungs- 
vorschristen, namentlich hinsichtlich der Dienst- 
ordnungen für die Kassenbeamten zur Verhütung 
ungerechtfertigt hoher Besoldungen, die erst an- 
gesichts des Erlasses der Versicherungsordnung 
festgesetzt sind. Die landesrechtlichen Verpflich- 
tungen der Dienstberechtigten zur Kur und Pflege 
des erkrankten Gesindes werden aufgehoben. Auf 
dem Gebiet der Unfallversicherung soll der Bundes- 
rat über die Zuteilung der neu versicherten Ge- 
werbszweige zu den Genossenschaften bestimmen. 
Er kann auch neue Genossenschaften errichten, für 
deren Bildung Vorschriften gegeben werden. Bis 
zur Anlegung von ¼ des Vermögens in Reichs- 
oder Staatspapieren müssen die Genossenschaften 
jährlich mindestens ½ des Vermögenszuwachsesso# 
anlegen. Die schwebende Schuld kann innerhalb 
eines Jahrs nach dem Inkrafttreten des 3. Buchs
	        
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