Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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hrsg. von Kammergerichtsrat Dr Felix Meyer (Ber- 
lin, R. v. Decker). 
„Jahrbuch der internation. Vereinigung für ver- 
gleichende Rechtswissensch., u. Volkswirtschaftslehre 
zu Berlin", hrsg. von Prof. Bernhöft, Kammer- 
gerichtsrat Felix Meyer usw. (bis 1910: 8 Bde). 
„Archiv für Rechts= u. Wirtschaftsphilosophie“, 
mit bes. Berücksichtigung der Gesetzgebungsfragen, 
erscheint seit 1907; Organ der „Internationalen 
Vereinigung für Rechts= u. Wirtschaftsphilosophie“. 
Hrsg.: Prof. Jos. Kohler u. Dr Fritz Berolz- 
heimer; jährlich 4 Hfte, außerdem Beihefte (Ber- 
lin-Wilmersdorf, M. Rothschild). « 
„Zeitschrift für Politik“, erscheint seit 1907; 
Hrsg.: Prof. Richard Schmidt (Freiburg i. Br.) 
u. Dr A. Grabowsky (Berlin); jährl. 4 Hfte bzw. 
1 Bd (Karl Heymann, Berlin). ç 
Unter den eingegangenen Zeitschriften verdient 
Erwähnung die „Vierteljahrsschrift für Volkswirt- 
schaft u. Kulturgeschichte“; die Zeitschrift wurde 
1863 als Organ der deutschen Freihändler gegrün- 
det, war zeitweise sehr einflußreich; im Jahr 1893, 
nachdem sich allmählich der wirtschaftspolitische 
Umschwung vollzogen, stellte sie ihr Erscheinen ein. 
(Sacher.)] 
Städteordnung s. Gemeindeordnung. 
Städtewesen, mittelalterliches, 
s. Bürgertum. 
Städtewesen, modernes. I. Die wirt- 
schaftliche und Kulturelle Bedentung der 
Städte. Die Städte sind von jeher die Träger 
des wirtschaftlichen und geistigen Lebens gewesen. 
Während aber im Altertum und Mittelalter die 
Städte befestigte Gemeinwesen mit geschlossener 
Stadtwirtschaft waren, ist die Produktionstätig= 
keit der modernen Städte mit ihren gewaltigen 
Menschenanhäufungen auf örtlich eng begrenztem 
Raum und einer hochentwickelten Industrie auf den 
gesamten nationalen, ja oft internationalen Markt 
gerichtet; ihr Erwerbsspielraum ist unbeschränkt. 
Die Städte der Griechen und Römer waren die 
befestigten Wohnplätze der Grundeigentümer; ihre 
Größe war im allgemeinen abhängig von dem 
Umfang des Stadtgebiels, das diese bebauten; 
in der Regel aber waren ihrer Ausdehnung schon 
durch die geringe Entwicklung der Verkehrsmittel 
enge Grenzen gesteckt. Der griechische und römische 
Stadtbewohner war nach Bücher (Die Entstehung 
der Volkswirtschaft? (1906 370 ff) Landbesitzer 
und Landbebauer, mag auch die Arbeit in der 
Hauptsache durch Hörige und Sklaven besorgt 
worden sein. Die Bürger der mittelalterlichen 
Städte waren dagegen vorwiegend Gewerbe- 
treibende, Kaufleute und Handwerker. Stadt und 
Land haben sich in die wirtschaftlichen Funktionen 
geleilt. Das Land erzeugt die Nohstoffe und 
Nahrungsmittel; die Stadt verarbeitet jene Roh- 
stoffe und führt durch den Handel aus der Ferne 
herbei, was sie nicht selbst produziert. Bürger 
und Bauer tauschen auf dem slädtischen Markt 
ihre Erzeugnisse aus. Stadt und umliegende 
Landschaft bilden ein geschlossenes Wirtschafts- 
gebiet, das sich durch Arbeitsteilung selbst ver- 
Städteordnung — Städtewesen, modernes. 
  
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sorgt und selbst genügt. Der Markt wird aus- 
schließlich den einheimischen Gewerbetreibenden 
vorbehalten und die auswärtige Konkurrenz sowie 
der Zwischenhandel möglichst beschränkt. Um dem 
Stadtbürger ein gesichertes Auskommen zu er- 
möglichen, werden Großbetrieb und Kapital= 
bildung unterdrückt, Arbeitslöhne und Lebens- 
mittelpreise obrigkeitlich festgesetzt. 
Mit den großen Bevölkerungsbewegungen in 
der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. ist eine neue 
Welt erstanden, welche keine Städteprivilegien 
und keine Gebundenheit an die Scholle mehr kennt. 
Die Entwicklung der modernen Volkswirtschaft 
hat insbesondere seit der Ausbildung der Groß- 
industrie und der Vermehrung und Vervollkomm- 
nung der Verkehremittel eine vollständige Um- 
gestaltung der nationalen Arbeitsteilung und eine 
Umsiedlung der Menschen zur Folge gehabt. Die 
gesamte nationale Produktion sucht sich jetzt über 
das Wirtschaftsgebiet so zu verteilen, daß jeder 
Zweig derselben den für ihn günstigsten Standort 
gewinnt. Es entstehen Fabrik= und Hausindustrie- 
bezirke, indem Gebirgstäler und ganze Gegenden 
der Ebene ein halb städtisches Wesen annehmen. 
Gewisse Städte entwickeln sich zu ausgesprochenen 
Industrie= und Handelsplätzen, andere wiederum 
zu Fremden-, Rentner-, Universitäts= und Garni- 
sonstädten. Wohl hatte auch das Mittelalter seinen 
„Zug nach der Stadt“. Wenn aber in ihr alle 
Gewerbe besetzt waren, so wurden neu zugewan- 
derte Handwerker zur Niederlassung nicht mehr 
zugelassen und die Zünfte geschlossen. Seitdem 
aber die alten Erwerbs= und Niederlassungs- 
beschränkungen aufgehoben sind, sind der Erwerbs- 
möglichkeit in den Städten keine Grenzen mehr 
gezogen. Unsere modernen Städte stellen einen 
neuen Typus dar in der Gesamtentwicklung der 
wirtschaftlichen und geistigen Kultur, dem keine 
frühere Städteform in der Weltgeschichte gleicht. 
Wenn man zunächst rein äußerlich unsere mo- 
dernen Städte betrachtet, so unterscheiden sie sich 
von denen älterer Kulturstusen durch ihre großen 
Menschenanhäufungen. Am Anfang des 
19. Jahrh. gab es in Europa nur zwölf Großstädte 
(mit mehr als 100 000 Einw.); an ihrer Spitze 
stand London mit etwas weniger als einer Million. 
Von Deutschland kamen nur Berlin mit 172000 
Seelen und Hamburg mit deren rund 100 000 in 
Betracht. Bis zur Mitte des 19. Jahrh. kam nur 
eine deutsche Großstadt, Breslau, hinzu; bald 
darauf überschritten Köln und München die Grenze 
der ersten Hunderttausend und bis 1870 noch 
Dresden, Königsberg und Leipzig. In der Folge- 
zeit ist die Zahl der Großstädte, wie folgt, ge- 
wachsen: 1880 15; 1890 26; 1900 38; 1905 
41; 1910 48. Mit dieser Ziffer steht Deutsch- 
land unerreicht da von allen Staaten der Welt. 
Großbritannien hat nämlich 39, die nordameri- 
kanische Union 38. Indien 31, Rußland 19, 
China 18, Frankreich 15, Italien 11 und Japan 
10 Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern.
	        
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