Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Augenblick an, da es deutlich wurde, daß Rußland Serbien den Rücken 
stärkte, hätte Deutschland Osterreichs Wunsch, ein für allemal mit der 
serbischen Bedrohung ein Ende zu machen, in seiner ganzen Tragweite er- 
kennen und seine Unterstügung versagen müssen. Die deutsche Regierung 
hat ohne Zweifel in der ersten Julihälfte geglaubt, Europa zur Duldung 
einer Strafexpedition gegen Serbien einschüchtern zu können. 
Auch gegenüber der anderen schweren Anschuldigung: „Deutschland trägt 
die Verantwortung für die gesetzlose Führung des Krieges“ konnte ich festen 
Boden gewinnen. In der belgischen Frage vermochte ich allerdings zu 
keinem anderen Ergebnis zu kommen als Herr v. Bethmann: wir haben 
ein Anrecht getan und müssen es wieder gutmachen. Alle Versuche, uns 
durch spätere Dokumentenfunde zu entlasten, sind mir immer sinnlos und 
nicht ganz würdig erschienen. 
Im Augenblick schien die „Fürchterlichkeit“ unseres U. Bookkrieges 
alle anderen „Missetaten“ zu verdrängen, die uns vorgeworfen wurden. 
Ich gestehe, daß die Tötung der Nichtkämpfer durch unsere U. Boote mir 
immer erneute Gewissensnot gemacht hatte: konnten wir uns rechtfertigen 
anders als durch militärische Notwendigkeit? Ich wußte von den Beden- 
ken, die beim Kaiser und bei unserem ritterlichen Seeoffizierkorps anfangs. 
zu überwinden waren. Galt doch die Schonung der Dassagiere als eine 
Ehrenpflicht, die allen großen seefahrenden Völkern heilig war und die Herr 
v. Müller, der Kommandant der „Emden“, noch in diesem Kriege unter 
äußerst schwierigen Amständen aufrechterhalten hatte. 
Ich bin auf Grund sorgfältiger Untersuchungen damals zu der Aber- 
zeugung gekommen: 
Der U-.Bootkrieg in seiner jetzigen politischen Aufmachung ist für das 
Rechtsgefühl der Welt unerträglich. Er erscheint als eine zvnische Er- 
weiterung der Machtbefugnisse der Kriegführenden unter Verachtung 
der Rechte der Nichtkombattanten und Neutralen. 
Im Dienste der Freiheit der Meere, als eine Repressalie gegen einen 
furchtbaren Rechtsbruch des Feindes, die aufhören würde, sobald der 
daß es nicht länger warten konnte, und entschloß sich zum Kriege, von dem es jetzt 
anscheinend nichts mehr abzuhalten vermag. Nach Ansicht französischen Botschafters 
geht daraus hervor, daß Konflikt nicht Folge deutscher Anstiftung ist; auch gehe 
nicht unbedingt daraus hervor, daß Deutschland europäischen Krieg wünscht, wie 
viele in Frankreich glauben.“ (British Documents 1926, Nr. 265.) Es handelte 
sich aber nicht darum, die Berechtigung von Osterreichs Vorgehen gegen Serbien 
zu prüfen, sondern darum, zu erkennen, daß es der Entente einen Vorwand zum 
Kriege lieferte. 
1 Vgl. Oberst Schwertfeger: Der geistige Kampf um die Verletzung der belgi- 
schen Neutralität (2. Aufl.), S. 18 f. und 63/64. 
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