„Wir stehen also vor folgender Erwägung und Fragestellung: Können
wir den Krieg fortsetzen, ohne innere, schwere, die Einigkeit schädigende,
die Munitionserzeugung gefährdende Unruhen befürchten zu müssen,
wenn wir dem Wunsche des Volkes nach sogenannter Demokratisierung
nicht sofort entgegenkommen? Ich hasse dieses Wort Demokratisierung
Man müßte ein deutsches Wort erfinden, das die Mitarbeit weitester
Volkskreise am Leben des Staates bezeichnete. Das haben wir in Süd-
deutschland schon, und, wie wir jetzt sehen, nicht zu unserem Schaden. Ich
glaube, daß es höchste Zeit ist, daß dies in Preußen auch enrsteht.
„Preußen hat den unverbesserlichen Fehler begangen, nicht schon vor
dem Krieg sein Wahlrecht zu ändern, dann stände vieles ganz anders.
„Ich war kein Freund der Osterbotschaft,1 weil sie nur ein Versprechen
war.
„Mein Drogramm were jeßt: sofortige Realisierung der Oster-
botschaft durch eine, wenn noch möglich, freie Tat des Kaisers. Diese
Realisierung muß in erster Linie das Wahlrecht Preußens treffen, denn
auf dieses konzentriert sich der Haß der Mehrheit des preußischen und
deutschen Volkes. Ich bin ein Gegner des allgemeinen, gleichen,
heimlichen Wahlrechts, weil ich es als eine Anwahrhaftigkeit ansebe.
Wenn es noch möglich ist, was ich leider bezweifeln muß, sollte man
ein anderes einführen, ein Proportional- oder nicht auf Besitz auf-
gebautes Pluralwahlrecht. Die preußische Regierung muß es selbst ein-
bringen und durchfechten, und zwar sofort. Ferner müßten liberal den-
kende Männer in die preußische Regierung und Verwaltung berufen
werden. So allein glaube ich, daß wir ohne Schaden der Notwendig-
keit eines vierten [Kriegs-Winters ins Auge sehen können.
„Man sagt, die Oberste Heeresleitung, besonders General Ludendorff,
sei dagegen. Man sagt, der Reichskanzler könne diesen Widerstand
nicht überwinden. Ist die Oberste Heeresleitung eines baldigen Sieges
sicher, so hat sie recht, sonst nicht.
„Ich habe in der kurzen Zeit unseres Gegenüberstehens volles Ver-
trauen zu Ihrem AUrteil und zu Ihrer menschlichen unbedingten Zuver-
lässigkeit gewonnen. Deshalb wage ich es, an Sie die Frage zu stellen:
Kannn ich in dieser Sache etwas tun und sind Sie geneigt und imstande,
mich auf der bezeichneten Linie zu unterstützen?
„Wenn dem so ist, so schreiben Sie mir, bitte, nach Karlsruhe zwei
Zeilen, aus denen ich Ihre Meinung erkennen kann. Da ich aber weiß,
wie sehr Sie in Anspruch genommen sind, möchte ich Sie bitten, nur
1 Vom 7. April 1917.
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