Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Ich hatte mich nach Salem zurückgezogen, um einige Wochen des Nach- 
denkens und der Sammlung zu verleben; die Berichterstattung über die 
innere und äußere Situation war aber denkbar lebhaft. 
So bin ich in der Lage, diese tragische Periode der versäumten Ge- 
legenheiten aus Dokumenten der Zeit erstehen zu lassen, und beschränke 
mich darauf, nur wenige persönliche Erinnerungen einzufügen. 
I. Die Wirkung der Friedensresolution auf das Ausland 
Oberstleutnant v. Haeften setzte einen Berichterstatter auf ein paar 
Wochen nach dem Haag, um aus erster Hand Nachrichten über die Wir- 
kung der deutschen Vorgänge im Ausland zu erhalten und Fühlung mit 
neutralen Informationsquellen aufzunehmen. 
In den ersten Berichten vom 29. Juli 1917 und den folgenden Tagen 
bieß es: « 
„Es ist schwer, sich einen Begriff davon zu machen, mit welcher atem- 
losen Spannung Neutrale und Ententeleute hier die Krisis in Deutsch- 
land verfolgt haben. Bis zur Ernennung von Michaelis, ja bei manchen 
bis zu seiner Rede gingen die Hoffnungen der Gutgesinnten hoch. T. lein 
Amerikaner, der gerade im Haag warf) blieb bis 2 Uhr morgens auf, um 
ja nur die Wolffsche Depesche zu lesen. Er faßte kurz vor der (vorläu= 
sigen) Beendigung der Krisis seine Auffassung folgendermaßen zusammen: 
„Wenn jetzt ein Kanzler kommt, der den Mojoritätsstandpunkt im 
Kampfe gegen die Alldeutschen vertritt, dann ist der schwerste Schlag, 
gegen unsere Chauvinisten geführt, der sie bisher getroffen hat.“ 
„Am Freitagmorgen, am Tage nach der Kanzlerrede, fand das fol- 
gende Gespräch statt: 
„Der Amerikaner: „Nun, was halten Sie von dem neuen Mann?- 
„Antwort:, Ein glänzender Mann, aber er kann sich nur nicht aus- 
drücken.“ 
„Der Amerikaner: „Das ist schlimm, dann ist er kein glänzender 
Mann. Worte sind heute entscheidend.“ 
„Dann fuhr er fort: „Wäre die Krisis doch anders ausgelaufen! 
Wenn die Deutschen nur den letzten Akt ein wenig besser gespielt 
1 Herr v. Haeften hatte bei der Durchführung seiner Aufgabe, die moralische 
Widerstandskraft der Heimat zu stärken, die Mitwirkung von Männern aller Par- 
teien und auch von politisch nicht gebundenen Persönlichkeiten in Rechnung gestellr. 
Auch ich hatte die meine zugesagt, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß ich 
über die außen- und innenpolitische Lage genau orientiert würde. Das geschah auf 
meinen Wunsch regelmäßig. 
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