mag Unsinn sein, aber er mobilisiert Millionen und schafft den Feinden
die Menschen, die sie so nötig brauchen.
Als Hahn dann fortfährt: Systemwechsel ist nutzlos ohne Personen=
wechsel; Hauptaufgabe der Reichsregierung wäre: psychologisch richtig be-
rechnete Angriffe auf die feindlichen Heimatfronten, vor allem lähmende
Suggestion nach England, der ehrenvolle Friede scheitere durch die Schuld
Oloyd Georges, — da stimmt Ludendorff zu und wirft die Frage auf, wer
der geeignete Mann sei, diese psychologische Kriegführung zu leiten?
Nun bezeichnet Haeften, von Bartenwerffer sekundiert, den Prinzen
Max als den Mann, dessen Name und Programm die stärkste Spreng-
wirkung im Auslande ausüben würden.
Am 9. Oktober bricht die dritte und letzte Michaelis-Krisis aus. Auf
der Tagesordnung stehen die Erörterungen der Interpellation Dittmann:
„Agitation durch Vorgesetzte im Heer zugunsten alldeutscher Politik.“ In
seiner begründenden Rede behauptet Dittmann, Todesurteile und Zucht-
hausstrafen seien gegen Matrosen „wegen Bekundung ihrer politischen Ge-
sinnung“ gefällt worden. Da geht Michaelis zum Gegenangriff über: Er
kündet Mitteilungen des Staatssekretärs Capelle an über die aufgedeckte
und gesühnte Matrosenverschwörung. Dann fährt er fort: Seine Erklä-
rung, daß er allen Parteien mit voller Objektivität gegenüberstehe, gelte
nicht für Parteien, die staatsgefährliche Ziele verfolgten. Die AUnab-
hängigen stünden für ihn „jenseits dieser Linie“. Anschließend berichtet
Capelle über die Meuterei, deren Zweck war, die Flotte lahmzulegen. Er
bezichtigt die Abgeordneten Dittmann, Haase und Vogtherr, diese Pläne
gebilligt und gekannt zu haben. Zunächst richtet sich die Empörung gegen
die Anabhängigen; als sich aber im Laufe der Debatte herausstellt, daß
der Beweis für diese furchtbare Anklage noch nicht erbracht ist, ja, daß
der Reichsanwalt es abgelehnt hat, auf Grund des vorhandenen Beweis-
materials eine Anklage zu erheben, schlägt die Stimmung rasch um. Die
Erregung der patriotischen Linken wendet sich gegen Michaelis und Capelle,
deren Vorgehen als illopal empfunden wird. Nicht nur die Mehrheits-
sozialdemokraten, sondern auch die Fortschrittler, vertreten durch Nau-
mann, springen den angegriffenen Abgeordneten der Anabhängigen Sozial-
demokratischen Partei Deutschlands bei; Naumann, der wahrlich dem
Gefühl der Armee nahe verbunden war, erhebt Einspruch, „daß man aus
einem nicht vollzogenen Verfahren hier entehrende Folgerungen gegen
jemanden zieht, der zur deutschen Reichs- und Volksvertretung gehört.
Durch das, was der Herr AReichskanzler vorhin gesagt hat, sind wir alle
genötigt worden, nun für diese Partei und ihr Existenzrecht einzutreten“.
1 Vgl. Helfferich, a. a. O., S. 184 ff.
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