hätte. Dem war nicht so. Oberst Schwertfeger hat in seinem Gutachten
über die Frage der politisch-militärischen Verantwortlichkeitt einen Brief
des Grafen Hertling an den Generalfeldmarschall vom 7. Januar 1918
veröffentlicht, darin sich die folgenden Sätßze finden:
„Wenn also mit Gottes gnädiger Hilfe die in Aussicht genommene neue Offensive
unter Euer Exzellenz bewährter Führung, gestützt auf den Heldenmut und Sieges-
willen unserer Soldaten, zu dem erhofften durchschlagenden Erfolge führen wird,
so sind wir in der Lage, für einen mit den Westmächten zu schließenden Frieden
diejenigen Bedingungen zu stellen, welche von der Sicherung unserer Grenzen,
unserer wirtschaftlichen Interessen und unserer internationalen Stellung nach dem
Kriege gefordert werden. Ich hoffe, daß es gelingen wird, hiervon auch den Reichs-
tag, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, zu überzeugen. An Bemühungen nach
dieser Richtung wird es nicht fehlen.“
Bed dieser Einstellung ist es erklärlich, daß der Reichskanzler die Auffor-
derung Lansdownes unbeachtet ließ. Da Graf Hertling und Kühlmann
schwiegen, entschlossen wir uns, dem englischen Staatsmann auf eigene
Faust zu antworten, damit er nicht durch die fehlende Resonanz entmutigt
würde. Am 14. Dezember 1917 hielt ich eine Rede über die auswärtige
Politik in der Ersten Badischen Kammer. Am 21.Dezember sprach Staats-
sekretär Solf in der Philharmonie in Berlin über „Die Zukunft Afrikas“.
ODas befreiende Wort: „Wiederberstellung Belgiens" konnten wir allerdings
nicht aussprechen.
Hinter den beiden Reden stand ein einheitlicher Plan: Wir wollten
Lansdowne sagen, ohne ihn anzureden, daß die deutsche Verständigungs-
partei, auf deren Ermutigung es ihm ankam, zwar zu Anterhandlungen mit
dem besseren England, das er vertrat, bereit wäre, aber ebenso entschlossen,
den Kampf auf Leben und Tod mit der Knock-out-Regierung aufzu-
nehmen, die selbst oder deren Gesinnung abdanken müsse, sollte ein allge-
meiner Friede der „Zufriedenstellung" zustande kommen. In unserem eigenen
Wolke aber wollten wir ein zähes Vorurteil an der Wurzel treffen: als
ob Macht und Sittlichkeit unbedingt feindliche Kräfte sein müßten, die
Ethik in der Politik zu vertreten nur dem kraftlosen Pazifismus obliege,
der Imperialismus aber notwendig über den Menschheits- und Rechts-
gedanken hinwegschreiten müsse.
Dem Vorkämpfer für unseren kolonialen Gedanken lag vor allem daran,
den Machtwillen des deutschen Volkes aus seiner kontinentalen Begrenzt-
1 Ursachen des Zusammenbruchs, Entstehung, Durchführung und Zusammen-
bruch der Offensive von 1918. Heft 1: Gutachten des Obersten a. D. Schwert-
feger: Die Frage der politisch-militärischen Verantwortlichkeit. 1. Teil: Bis zum
Beginn der Offensive 1918 (21. März 1918), Berlin 1922, S. 41.
Prinz Max von Baden 11 161