heit zu erlösen und auf stolze und sittliche Ziele über See hinzuweisen,
neben denen der Erwerb von Briey und Longwy nichtig erscheinen mußte.
Ich wollte auf dem Höhepunkt unserer militärischen Situation die War-
nung bringen, daß die Welt sich niemals mit unserer ungeheuren Macht
abfinden würde, wenn sie nicht ein Verantwortungsgefühl gegenüber der
Menschheit dahinter spürte. Darüber hinaus wollten wir einmal die Wir-
kung der Propagandamethoden erproben, die wir für richtig hielten und
bisher vergeblich empfohlen hatten:
1. Unser Ehrgefühl hat sich gegen den Bannfluch der Feinde zu wehren,
d. h. im wesentlichen gegen die beiden Lügen von der Alleinschuld Deutsch-
lands an dem Ausbruch des Krieges und an seiner „gesethlosen“ Führung.
Den Feinden gilt es ihre Greuelpropaganda zu erschweren und zu ver-
leiden nach dem Satz: die beste Abwehr ist der Hieb.
2. Wer aber die Feinde angreift, sollte dabei so zu Werke gehen, daß er
den Wölkerhaß nicht schürt; sonst wird gerade die Gesinnung des Ver-
nichtungskriegs genährt, die man bekämpfen will. Es empfiehlt sich beson-
ders, in der gegen England gerichteten Propaganda die feindlichen Greuel-
täter nicht als typische Vertreter ihres Volkes darzustellen, sondern den
Nachweis zu erbringen, daß sie auch den besten Traditionen des eigenen
OQandes ins Gesicht schlagen.
3. m dieser politischen Offensive die nötige Stoßkraft zu geben, muß
das deutsche Schwert rein bleiben, sonst fehlt die unangreifbare Plattform
zum Angriff; die Sprecher des deutschen Volkes dürfen nicht kritiklos und
pharisäisch gegen die eigenen Sünden verfahren, sondern können nur auf
Gehör im Ausland rechnen, wenn sie auch ihrem Volke als strenge Mahner
entgegentreten.
Seit dem Herbst 1914 war immer wieder geraten worden, nach diesen
Gesichtspunkten zu verfahren. Unsere Behörden standen Verleum dungen
gegenüber auf dem Standpunkt: Nur immer stramm dementieren! Unsere
Intellektuellen teilten häufig diese primitive Auffassung. Ich erinnere an das
Drofessorenmanifest vom 3.Oktober 1914: „An die Kulturwelt"“, das Kriegs-
greuel leugnen wollte und selbst der Entente Stoff zu einer nicht endenden
Hetze gegen die deutsche Kultur lieferte. Wohl war es gelungen, den einen
oder anderen kräftigen Offensivstoß zu veranlassen, der besonders das eng-
lische Ehrgefühl traf; aber über Ansähze kam die Propaganda nicht hinaus.
Staatssekretär v. Kühlmann war, wenn auch aus anderen Gründen, noch
spröder als Bethmann. Er hat es offen ausgesprochen, daß die Diskussion
1 Der englische Imperialismus kannte solche Hemmungen nicht; im Gegenteil,
es gehörte drüben zum eisernen Bestand der Kriegspropaganda, private Nachsucht
anzurufen.
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