über die Schuld am und im Kriege es ihm erschweren würde, die Unter-
händleratmosphäre herbeizuführen.
So sahen Dr. Solf und ich uns veranlaßt, unabhängig von dem Aus-
wärtigen Amt eine moralische Offensive zu versuchen. Er sollte in der
Greuelfrage, ich in der Schuldfrage zustoßen.
Solf ging von Lord Nobert Cecils pathetischer Ankündigung aus:
„And wenn wir in irgendeinem Grade erfolgreich sind, würde ich mit
Schaudern den Gedanken fassen, Eingeborene zurückzuerstatten, die von
einer derartigen Regierung lder deutschen) befreit worden waren“,
und entgegnete darauf:
„Man wundert sich wirklich, woher der englische Staatssekretär des
Auswärtigen Amts seine Informationen bezieht. Ist es immer dasselbe
Greuelbureau, das ihm auch das Märchen von der deutschen Leichen-
verwertungsanstalt zur Verfügung gestellt hat und neuerdings das Glanz-
stück von der geplanten Einführung der Doppelehe in Deutschland!
„.. Es wäre undeutsch und pharisäisch, wollten wir leugnen, daß
auch unsere koloniale Vergangenheit Flecken aufzuweisen hat. Aber
unser Sündenregister ist bei weitem nicht so lang und schwarz wie das
englische ich lehne die bistorische Greuelschnüffelei als eine oberfläch-
liche und unsachliche Kampfmethode ab. Wollen wir auf den Kern des
Problems durchstoßen: wer hat ein Recht, Kolonialpolitik zu
treiben? dann müssen wir die Frage aufwerfen: Wie dachten und han-
delten Haupt und Glieder der Kolonialverwaltungen vor dem Kriege?
Darauf ist zu antworten:
„Alle Kolonialsachverständigen wissen, daß der Grundsaßz, den ich vor
Jahren im Reichstag so formulieren durfte: „Kolonisieren heißt Missio-
nieren“, sich in der englischen wie in der deutschen Kolonialpolitik durch-
geseczt Hatte. Wir standen erst am Anfang der Reformentwicklung, aber
Deutschland war seit Dernburg auf dem rechten Wege. Die große Probe
auf unsere Eingeborenenpolitik ist der Krieg gewesen. In allen unseren
Kolonien sind unsere Schutzbefohlenen zu uns gestanden, obgleich den
meisten klar war, daß es nur galt, einen verlorenen Dosten zu verteidigen.
„Ich habe das Thema der Eingeborenenbehandlung oft mit Gouver-
neuren der englischen Kolonien besprochen und weiß, wie sie über die
deutsche Eingeborenenpolitik denken. Ich will mich im Interesse der
Herren Gouverneure enthalten, ihre damaligen Aussagen wiederzugeben,
denn es gilt im heutigen England schon fast als Hochverrat, den Feind
auch nur vor dem Kriege einmal gerecht beurteilt zu haben. Nur so viel
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