Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Deutschland zu dem gemacht haben, was es ist, an Kräfte, die seit bald 
einem Menschenalter Gefahr liefen und noch laufen, verfälscht zu werden 
in einem parvenühaften Imperialismus. Ich wenigstens habe mich nie 
davon überzeugen können, daß die große Linie, die man vielleicht mit 
den Namen Luther, Goethe, Bismarck — dem vielverkannten Bis- 
marck! — bezeichnen kann, ausmünden sollte in das Ziel, dem die 
Koryphäen unseres Alldeutschtums den Namen geben. Mir will auch 
scheinen, daß, obwohl unsere immer mehr depravierte Tagespresse das 
Gegenteil vermuten läßt, die Gedanken, die Sie ausgesprochen haben, 
immer mehr Boden gewinnen. Noch vor einem halben Jahr wäre ja 
eine Rede wie die Ihre kaum möglich gewesen. Wobei man gewiß zu- 
geben muß: Die Hybris, die unser Volk in den allerersten Kriegswochen 
ergriffen hatte, der durch das freche und lügnerische Gebaren unserer 
Gegner immer wieder aufgepeitschte Völkerhaß, der gewissen Kreisen 
bei uns stets neuen Brandstoff zuführte, waren und sind Mächte, die 
nur allmählich bezwungen werden konnten, wenn das Ganze nicht 
Schaden leiden sollte. Nun kommen die russischen Verhandlungen dazu. 
Sie bestätigen mir, was ich längst kommen zu sehen glaubte, daß dieser 
Krieg, der die Massen der Völker verschlingt, sein wirkliches Ende erst 
durch den Druck dieser selben Volksmassen finden wird. Manche alte 
Illusionen werden dadurch zerstört. Aber wir können nach meiner Über— 
zeugung den Aufgaben der neuen Zeit, die wie alle großen Dinge, auch 
mit großen Gefahren umgeben sind, nur gerecht werden, wenn wir mutig 
abtun, was Illusion war, und ebenso mutig anerkennen, was sich aus 
dem Weltenchaos als reale Macht herausstellt. Nur so vermeiden wir 
Katastrophen und retten aus dem Alten ins Neue hinüber, was rett- 
bar ist. 
„Verzeihen Sie, gnädigster Prinz, diese freimütigen Gedanken. Ihre 
Worte regen sie mir aufs neue an, und wenn ich dabei von den Wegen 
abweichen sollte, die Sie für die richtigen halten, so bleibt, wie ich hoffe, 
doch eine gemeinsame Grundlage des Denkens bestehen . 
Besonders wertvoll war mir eine Außerung Friedrich Meineckes: 
„Es ist nicht nur der Geist der Augusttage von 1914, der aus der hochsinnigen 
Rede des Prinzen Max von Baden spricht: Es ist eine höhere Stufe des natio- 
nalen Denkens und Gewissens in ihm erreicht. Durch immer neue Kämpfe und 
Gegensätze schreitet es zu immer neuen Versöhmungen und Vereinigungen. — Un- 
geahnte Probleme unserer politischen Zukunft und harter Druck von außen haben 
uns seit der wundervollen Vereinigung aller nationalen Kräfte und Empfindungen, 
die wir in den Augusttagen erlebten, wieder gespalten. Hier wird uns gezeigt, 
wie wir, durch Erfahrung und Selbstprüfung gereift, uns wieder zusammenfinden 
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