könnten, wenn wir die Leidenschaften des Parteikampfes in uns zum Schweigen
brächten. Es gilt heute, wie der Prinz sagte, die Kraft des Denkens mit dem
Willen zur Tat zu vereinigen. An dem Willen zur Tat fehlt es heute, bei dem
Aufgebote aller Energie, zu dem wir gezwungen wurden, wohl nirgends unter
uns. Aber ein irregeleitetes Denken droht öfter in falsche Richtung zu führen,
indem es die Quellen der nationalen Macht, die wir alle begehren und erkämpfen
wollen, übermäßig in äußerem, grob sinnlichem und greifbarem Machtgewinne
sucht und darlüber die inneren, aus Charakter und Gemeinschaftsgefühl der Nation,
aus Freiheit, Sittlichkeit und Menschlichkeit fließenden Kräfte vernachlässigt. Die
Forderung des Prinzen, sie zu pflegen, ist heute zugleich die Forderung wahrer
Realpolitik und Staatskunst.“
Friedrich Naumann deutete in der „Hilfe“ vom 27. Dezember 1917
meine Rede ganz so, wie ich sie gemeint hatte:
„Niemand, der die innere Entwicklung des deutschen Geistes im Kriege mit der
nötigen Teilnahme und Sachkenntnis verfolgt, wird die Rede unterschätzen, die
in der vergangenen Woche bei der Eröffnung der Ersten Kammer des badischen
Landtages der badische Thronfolger Drinz Max gehalten hat. Nicht deshalb ist
sie bedeutsam, weil etwa in ihr ganz neue Gedankenreihen begonnen wurden,
sondern deshalb, weil gegenüber dem schweren Druck einer alldeutschen Ver-
gewaltigung der Geister hier ein Vertreter des monarchischen Systems selbst
das Wort ergreift und für diejenigen Gesinnungen redet, die schon immer wahr-
haft deutsch waren und es auch trotz alles Drohens der #berpatrioten bleiben
werden.
.. Obman bei Lessing oder bei Kant anfragt, bei Goethe, Herder oder Schiller,
ob man zu Fichte, Schleiermacher oder Hegel geht, ob man den Freiherrn vom
Stein aufsucht oder einen der Humboldts, immer findet man ein Deutschtum, das
mehr ist als nur ein Eroberungswahn. Es einte sich im guten alten Deutschtum die
feste VBerteidigungskraft mit der leuchtenden IJdee. Mag nun von solchem hoch-
gesinnten Deutschtum eine Schar von Aberpatrioten nichts mehr wissen wollen,
so steht trotzdem fest, daß wir nur durch diese Art von Geist überhaupt eine Nation
geworden sind. Mit einem alle Welt verletzenden nationalistischen Partikularis.
mus, wie ihn die VBaterlandspartei betreibt, kann man weder das eigene Volk
zusammenhalten, noch Bundesgenossen pflegen, noch benachbarte Kleinvölker zum
freiwilligen Anschluß bewegen, noch mit einer verfeindeten Welt wieder Frieden
finden. Selbst wenn man zugeben will, daß Abertreibungen der vaterländischen
Abstoßungskraft durch die Wucht der auf uns hereinbrechenden Kriegsgewalten
hinreichend erklärt und durch häßliche Verleumdungen der Gegner sehr entschuldigt
find, so kann es das deutsche Volk als Ganzes nicht auf die Dauer vertragen, daß
ihm um des Sieges willen sein deutscher Geist ausgetrieben werden soll, zumal da
nichts den wirklichen Sieg mehr gefährdet als gerade diese Geistesaustreibung.
Es war nötig, daß von irgendeiner hervorragenden Stelle aus zur Selbstbesinnung
und inneren Wiederaufrichtung gerufen wurde.
Das ist es, was Prinz Max von Baden gewollt hat und was ihm weitgehend
geglickt ist. Von den verschiedensten Seiten wird in diesen Tagen gesagt: Wir
denken etwa so wie der Prinz! Das kritt vielleicht in den großen Zeitungen nicht
hinreichend zutage, weil bei ihnen alles nur auf Tagesereignisse eingestellt ist, wer
187