Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

ging nicht an, Wilson und Trotzki den Ideenkampf allein zu überlassen, 
wir mußten westlichen und östlichen Phrasen ein eigenes durchdachtes 
Programm europäischer Neuordnung gegenüberstellen, das die Realitäten 
berücksichtigte. 
Wir hatten das Recht und die Pflicht dazu, denn das Eigendasein der 
Randvölker wurde durch uns nicht bedroht. Im Gegenteil. Wenn jetzt für 
Finnen und Balten und die anderen der Tag der Freiheit sich näherte, so 
hatten wir ihn heraufgeführt dadurch, daß wir das russische Reich in Trüm— 
mer schlugen. Und wenn diese befreiten Völker sich gegen die bolschewistische 
Gefahr behaupten wollten, so waren wir wiederum ihre einzige Hoffnung 
und ihr einziger Schutz. Gewiß, unsere Presse von damals ließ nicht er- 
kennen, daß die deutsche Nation ihre Sendung als Befreier und Ordner 
Osteuropas begriff. Unsere Redakteure lebten ebenso wie unsere Diplo— 
maten in der Angst, sie könnten es an realpolitischer Schlauheit fehlen 
lassen und als Idealisten verschrien werden. 
Aber das kämpfende Heer an der Ostfront war erfüllt von der Größe 
der Aufgabe, gestaltend und rettend in das Geschick fremder Völker einzu- 
greifen: 
Der Heerführer, der sagte: „Man konnte meiner Erachtens als anstän- 
diger Mensch nicht tatenlos dabeistehen und ein ganzes Volk hinmorden 
lassen.“ 1 And nicht minder die Husarenpatrouillen, die eigenmächtig vor- 
stießen, Gefängnisse aufbrachen und noch in letzter Stunde Tausende von 
Stammesgenossen vor der Füsilierung durch die roten Garden retteten. 
#berhaupt kreisten damals im Blute unseres Volkes imperialistische 
Säfte. Das bloße Ziel der Selbstbehauptung genügte nicht mehr der neu- 
erwachten Vitalität. Anser Machtgefühl sehnte sich nach befreiendem Aus- 
druck. Heer und Heimat verlangten damals von berufenen Führern zu 
hören: Der deutsche Krieg geht um mehr als nur um materielle Dinge. 
Trotki unternahm es nicht nur, die Grundlagen eines 
deutsch-russischen, sondern eines allgemeinen Friedens fest- 
zustellen. Aberdies hatte er öffentliche Verhandlungen durchgesetzt. Wir 
verhandelten also mit der Offentlichkeit auch der westlichen Völker, ob 
wir wollten oder nicht. Wenn wir uns hätten entschließen können, den 
von uns erstrebten Frieden präzise zu umreißen, so wäre es nur natürlich 
gewesen, in diesem Rahmen auch die belgische Frage zu klären und Lans- 
downe die Antwort zu geben, auf die er und Millionen warteten. 
VWenn wir uns aber darauf beschränkten, zu den prinzi- 
piellen Forderungen der anderen Ja zu sagen, dann durften 
1 Hoffmann, a. a. O., S. 223. 
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