hindurch, ohne Geheiß und ohne Unterstützung vom Reich, nur kraft ihres
deutschen Gewissens, das von ihnen forderte, auf Vorposten stehen zu
bleiben.
Nun drangen die Hilferufe dieser Stammesgenossen täglich durch die
russischen Linien: wir möchten dem Morden und der Verschleppung Ein-
balt tun. Ein paar Bataillone könnten Hilfe bringen, „die russischen und
estnischen Mörderbanden aber bauen auf eure assivität".
Die mir nahestehende Gruppe glaubte damals in dem Näumungs-
verlangen der Russen eine Handhabe zu sehen, um die unblutige Befreiung
von Livland und Estland durchzusetzen. In einer Denkschrift von Ende
Dezember heißt es unter anderem:
„Ihren Worten nach erscheinen die Bolschewiki als aufrichtigere Bekenner
zum Selbstbestimmungsrecht der Völker als Deutschland, ein schweres Handicap
für uns im Wettbewerb um die Gesinnung der Fremdvölker.
Die Frage ist: Was kann geschehen, um diese Belastung loszuwerden? Wir
müssen mit einem neuen Vorschlag vor die Russen hintreten, der sie gewissermaßen
an Fremdvölkerfreundlichkeit noch übertrumpft. Wir müssen die Forderung stellen,
daß nicht nur vor der vorzunehmenden Prüfung des Volkswillens — am besten
geht eine solche durch eine frei gewählte parlamentarische Vertretung vor sich —
das kurländische und litauische Gebiet, die besetzten Teile Livlands von deutschen
DTruppen geräumt werden sollen, sondern das ganze livländische und estländische
Gebiet bis zur Peipusgrenze von den Russen.
Wir müssen geltend machen:
Der Besitzstatus der Russen ist durch die in Livland und Estland herrschende
Anarchie genau so beseitigt wie durch die deutsche Okkupation in Kurland. Das
Schicksal von Livland und Estland ist somit durch die Kriegsereignisse vor das Forum
der Geschichte aufs neue gebracht, gerade wie das Schicksal PHolens, Litauens und
Kurlands.
In Livland und Estland geschehen Mordtaten, die die Säuberung des Gebiets
zu einer Dflicht der allgemeinen Menschlichkeit machen. Die Russen selbst haben
das größte Interesse daran, da die mordenden Soldatenbanden im Namen der
Bolschewiki zu handeln vorgeben. So ist es russisches, Fremdvölker-- und deutsches
Interesse, daß Livland und Estland aufhören, Schauplatz des Mordens zu sein.
Mit dieser Forderung würden wir in der Tat als die Befreier der kleinen
Nationen dastehen.
Würden die Russen sich weigern, sich zurückzuziehen, so ziehen wir uns auch
nicht aus Kurland zurück, und das Odium fällt auf die Russen.
Weigern sie sich nicht, so habe ich keinen Zweifel, daß die Entscheidung zu unseren
Gunsten fallen würde. Die Bewohner Livlands und Estlands wären ohne deutsche
Eroberung durch die Kraft unseres politischen Willens von den Russen befreit.
Gerade das Risiko, das wir laufen, würde den Eindruck der bona fides verstärken.
Zu den Esten führen mannigfache Beziehungen, die man über Finnland und
Schweden ... zu unseren Gunsten ausnutzen könnte. Eventuell käme sogar
eine schwedische Besetzung des fraglichen Gebietes vorübergehend
in Betracht. Irgendeine neutrale ordnende olizei wäre sicher empfehlenswert.
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