Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

bestimmung der Völker im Munde führten, so war das nur die List des 
Wolfes, der sich mit Kreide seine Stimme fein machte. Ansere Aufgabe war 
es, dem Heuchler zuzurufen: Ich kenne dich, du bist der Wolf! 
Nicht, daß sich die kleinen Nationen betören ließen, aber die alliierten 
Völker und unsere sozialdemokratischen Massen bedurften dringend der 
Aufklärung. 
Wir brauchten nur dem Beispiel des ukrainischen Delegierten Ljubinski 
zu folgen, der Trotzki am 1. Februar 1918 in Brest. Litowst die Worte 
entgegenschleuderte: 
„Die lauten Erklärungen der Bolschewiki über die vollkommene Freiheit der 
Völker Rußlands sind nur grobe demagogische Mittel. Die Regierung der 
Bolschewiki, welche die konstituierende Bersammlung auseinandergejagt hat und 
sich nur auf die Bajonette der Söldner der Roten Garde stützt, wird sich nie dazu 
entschließen, in Rußland selbst die hochgerechten Hrinzipien des Selbstbestimmungs- 
rechtes lder Bölker] durchzuführen, denn sie weiß sehr wohl, daß nicht nur die 
zahlreichen Republiken, die Akraine, das Dongebiet, der Kaukasus und andere, 
sie nicht als ihre Regierung anerkennen werden, sondern daß auch das russische 
Volk selbst ihr dieses Recht versagen wird.“ 
Es galt, diese grundsätzliche Anklage durch Einzelheiten aus allen Teilen 
MRußlands zu erhärten. Täglich brachten die Hilferufe der Akrainer, Balten, 
Finnen Greueltaten der Roten Garden zur Kenntnis unserer Heerführer. 
Vor allem aber steigerte sich die zynische Brutalität der offiziellen russischen 
Regierungshandlungen unter dem Schutze jenes Schweigens, das die west. 
lichen Regierungen zu bewahren sich offenbar verschworen hatten. 
Unser Tatsachenmaterial war stark genug, um auch diese Verschwörung 
des Schweigens zu brechen, aber es bedurfte einer zusammenfassenden Rede 
des leitenden Staatsmannes; was General Hoffmann? an Einzelheiten 
brachte, verpuffte in der allgemeinen Entrüstung über die Einmischung des 
Militärs. 
Da ich die Legende vom guten Willen der russischen Regierung nicht 
nur für eine große Lüge halte, sondern für mitschuldig an dem Fortbestand 
ibrer Schreckensherrschaft, so liegt mir auch heute noch daran, aus dieser 
ersten Zeit des Sowjetregiments den Nachweis zu bringen, daß die Nussen 
das „Drinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker nur proklamierten, 
um seine praktische Durchführung um so entschiedener zu verhindern“. 
Ich berufe mich dabei nur auf den Tatbestand, wie er damals von der 
Presse gemeldet wurde und also auch der Regierung zur Verfügung stand. 
*“s über die sehr starke Wirkung der Anklagen auf Trotzki vgl. Czernin, a. a. O., 
. 332. 
2 Vgl. Hoffmann, a. a. O., S. 209. 
2 Ljubinski am 1. Februar 1918 in Brest-Litowst. 
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