mal im Gange war, treten die Gewerkschaften in ihn ein, um zu verhüten,
daß die Bewegung in offene Kriegsfeindschaft ausartet.
Am 5. Februar bricht der Streik zusammen dank dem energischen Vor-
gehen der militärischen Stellen, die durch den Staatssekretär des Innern
Wallraf wirksam unterstützt wurden. Die rasche Wiederherstellung der
Ordnung durfte kein trügerisches Sicherheitsgefühl schaffen. Wir mußten
der Tatsache ins Auge sehen, daß plößlich eine häßliche und gefährliche
Gesinnung zum Durchbruch gekommen war. Das Mißtrauen würde weiter
fressen: Wird der Kaiser sein Wort halten? Möchte nicht am Ende die
Regierung unter dem Eindruck der sich verbessernden Kriegslage von dem
Wahlrechtsversprechen ebenso gern abrücken wie von der Friedens-
resolution?
Mir schien, daß diese Fragen so eindeutig geklärt werden mußten, daß
auch die Böswilligen keine Handhabe mehr hatten, die Regierung zu ver-
dächtigen; sonst würden wir schlecht vorbereitet in die Kämpfe dieses
Jahres hineingehen.
Ich ergriff eine sich bietende Gelegenheit, um mit den leitenden Männern
Fühlung zu nehmen.
Lord Lansdowne hatte am 31. Januar wieder ein Lebenszeichen ge-
geben, wenn auch ein sehr schüchternes, und das Auswärtige Amt regte
an, daß ich ihm antwortete. Ich versprach mir allerdings eine sehr geringe
Wirkung meiner Worte in England: nur die Erklärung über Belgien,
und zwar aus dem Munde eines leitenden Staatsmannes, konnte der
Lansdowne-Bewegung den Auftrieb geben, auf den sie wartete. Aber ich
glaubte mich dem Wunsch des Auswärtigen Amts nicht versagen zu
dürfen. Allerdings wollte ich nicht den fertig ausgearbeiteten Entwurf,
der mir zugesandt wurde, übernehmen. Der Zweck dieses farblosen Mach-
werks war nicht recht einzusehen.
Ich erklärte, mich erst genau über die militärische und politische Lage
orientieren zu müssen, ehe ich mich äußerte. Als ich am 13. Februar in
Berlin eintraf, wurde ich mit der überraschenden Nachricht empfangen,
daß bereits am Tage vorher „mein Interview“ in Karlsruhe erschienen
wäre. Die Verschickung des amtlichen Entwurfs an die Zweigstellen des
Wolffschen Telegraphenbureaus war gleichzeitig mit der Abersendung an
mich angeordnet worden. Der Karlsruher Vertreter hatte nun im Dber-
eifer zu früh losgeschossen, ohne die Autorisation von Berlin abzuwarten.
1 Eine Jede, welche er vor Journalisten und Schriftstellern hielt, die ihm eine
Adresse aus Anlaß des dem Lande mit seinem Brief im „Daily Telegraph“ er-
wiesenen Dienstes überreichten.
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