Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

inneren Auseinandersetzungen beim politischen Gegner 
immer nach unpatriotischen Motiven zu suchen;! solche An- 
klagen dürfen nicht laut werden, sei es auch nur als Waffe im Rede- 
kampf. Das ist eine Versündigung an der Front und der Gesinnung, die 
dort herrscht. Dort setzen alle Tage Menschen gemeinsam und im vollen 
Vertrauen zueinander ihr Leben ein, deren Kriegszielauffassung oft weit 
auseinandergeht. Kein Tauglicher darf abseits stehen bei der Aufgabe, 
dieses gemeinsame Volksgefühl auch in der Heimat lebendig zu erhalten, 
sonst gefährden wir unsere Immunität gegen die östliche Ansteckung. 
„Vor mir liegt ein englisches Zeitungsblatt, das berichtet, daß die 
englischen Gewerkschaften den alten Toryführer Lord Lansdowne um 
einen Vortrag gebeten haben. Die Entwicklungsfreudigkeit der alten 
arteien ist aber auch bei uns eine nationale Forderung. 
„Die dritte und wirksamste Abwehrmaßnahme wäre natürlich der 
Friede." 
Der Besucher fragte mich, wie ich über die Aussichten eines 
allgemeinen Friedens denke. Ich antwortete: 
„Der Schlüssel der Lage liegt bei den angelsächsischen Bölkern. Es 
ist hier sehr schwer, klar zu sehen. Die Nachrichten aus Amerika lauten 
widersprechend. Ich will der Antwort nicht vorgreifen, die der Reichs- 
kanzler dem Dräsidenten Wilson geben wird, nur darauf will ich hin- 
weisen: der Dräsident spricht in seiner letzten Redes nicht als Welten- 
richter. 
„Die Vereinigten Staaten haben keinen Wunsch, sich in europäische Angelegen- 
heiten zu mischen oder als Schiedsrichter in europäischen Gebietsstreitigkeiten 
aufzutreten. .. Sie werden es gern hinnehmen, wenn man ihnen verständlich 
macht, daß die Lösungen, die sie vorgeschlagen haben, nicht die besten und dauer- 
haftesten sind. Sie sind lediglich ihre eigenen provisorischen Skizzen der Grund- 
sätze und der Art, in welcher sie angewendet werden sollen.“ 
„Diese Worte sind bedeutungsvoll; alles wäre gewonnen, wenn einmal 
die Völker so weit wären, zueinander zu sprechen ohne Anspruch auf 
Unfehlbarkeit, vielmehr in einer christlichen Gesinnung. Die ameri- 
kanischen Zeitungen geben ein anderes Bild als Präsident Wilsons 
ARede. Es ist, als ob Reuter sein ganzes abgenutztes Hetzmaterial den 
Amerikanern zur Verfügung gestellt bätte. Die Kriegsfröhlichkeit, die 
aus der amerikanischen Presse spricht, erinnert an die Stimmung in 
den Entente-Ländern in den Jahren 1914 und 1915. 
1 Siehe oben S. 177. 
2 Wom 11. Februar 1918. 
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