hielt Haußmann einige Zeit später die Nachricht, daß die englischen
Herren keine Pässe bekommen hätten.
Immerhin mochte wohl die englische Diplomatie zu diesem Zeitpunkt
nachdenklich gestimmt sein. Es steht jedenfalls fest, daß die alliierten
Militärattachss in Bern mit außergewöhnlicher Besorgnis der kommen-
den Waffenentscheidung entgegensahen.
Die wichtigste Information, die Haußmann brachte, war das schriftlich
niedergelegte Gutachten Hermann Stegemanns über die militärische Lage.“
Stegemann warnte vor der Offensive, deren militärische Möglichkeiten er
hoch einschätzte, aber nicht hoch genug, um die Eroberung von Calais in
Rechnung stellen zu dürfen.
Der Kern seiner Auffassung war in den Sätzen enthalten:
„Wiederholt habe ich zum Ausdruck gebracht, daß in diesem Kriege
die strategische Bedrohung stärker wirkt und politisch leichter zu fruk-
tifizieren ist als die durchgeführte Operation. Das gilt ganz besonders
von der drohenden Offensive im Westen. Es ist unzweifelhaft eine
Lockerung des Kriegswillens und der Interessengemeinschaft auf seiten
der Entente eingetreten, die sich mit einer großen Nervosität paart.
Ich habe dafür bestimmte Anhaltspunkte, über die ich nicht sprechen
darf, die aber in besonderer Kenntnis verankert sind."
Stegemann schloß mit den Worten:
„Deutschland muß indes mit der Möglichkeit rechnen, Osterreich und
Bulgarien —von der Türkei zu schweigen —unterwegs zu verlieren. Erst
wenn eine Verständigung, die durch Klärung in der belgischen Frage
(mein ceterum censeo) erleichtert wird, binnen wenigen Wochen nicht
erfolgt, muß die zweischneidige Offensivwaffe in Anwendung gebracht
werden, deren Eignung zum chirurgischen Instrument zweifelhaft bleibt,
deren Anwendung aber dann als notwendig erkannt werden könnte.
Das ist heute noch nicht der Fall.“
Haeften forderte nun seinen englischen Referenten Hahn auf, uns ein
Resümee der während der letzten Monate der Obersten Heeresleitung er-
statteten Berichte zu geben:
1 Bgl. Haußmann, a. a. O., S. 171. Dieses Gutachten Stegemanns (daß die
Offensive militärisch Amiens und Reims nehmen und politisch versagen würde) teilte
Haußmanm Ludendorff mit, erhielt aber nur eine „delphische" Antwort. (Aus Conrad
Haußmanns politischer Arbeit, Frankfurt a. M. 1923, S. 105.) Diese „Ge-
danken zur Lage, von Hermann Stegemann am 16. Februar 1918 für Conrad
Haußmann niedergeschrieben“ sind gedruckt: Werk des Untersuchungsausschusses,
2. Bd., 1925, S. 96ff.
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