Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

andere, daß es nicht nur ein nicht provozierter Angriff auf ein kleines unschuldiges 
Golk war, sondern daß der Angriff von einer der Nationen unternommen wurde, 
die die Sicherheit des kleinen unschuldigen Volkes garantiert hatten. Das sind die 
Gemeinplätze des heutigen Zustandes, das sind die historischen Axiome, die jeder 
von uns kennt. 
Nun gibt es für das Volk, welches das UAnrecht begangen hat, nur einen Weg, 
den es unter diesen Umständen gehen kann, und das ist der, daß es sagt: „Ich habe 
unrecht getan.“ Das hat es durch den Mund eines früheren Reichskanzlers getan. 
Was nun weiter geschehen muß, das ist, zu sagen: „Da ich unrecht getan habe, 
gebe ich wieder zurück, was ich niemals hätte nehmen dürfen, und ich gebe es not- 
wendigerweise bedingungslos zurück.“ Was sagt nun aber der Staatsmann, dessen 
Erklärung offenbar Holts vollständige Zustimmung hat, über die Sache? Er 
sagt: Stellt Belgien mit allen möglichen Mitteln wieder her. Wir wollen dort 
nicht bleiben, aber wir müssen dafür sorgen, daß es kein Gebiet für feindliche Machi- 
nationen wird. " 
.. Wir wissen, was Hertling ungefähr im Sinne hat. Wir wissen, was ein 
Deutscher immer meint, wenn er von ötonomischer Freiheit und Sicherheit der 
Grenzen spricht. Er meint immer das Anlegen von starken wirtschaftlichen Fesseln 
an einen schwächeren Nachbar oder Aneignung eines Stückes von seinem Gebiet, 
um die eigene Grenze zu verstärken. 
Ich bin dessen vollständig sicher, wenn Holt sich die Mühe nehmen will, einen 
Rückblick auf die verschiedenen Betrachtungen über die belgische Frage zu werfen, 
von denen die deutschen Zeitungen seit Kriegsbeginn voll waren, muß er immer 
wieder finden, daß hinter der Phrase, die Hertling brauchte, die Absicht steckt, zu 
verhindern, daß Belgien einen unabhängigen Platz unter den Völkern Europas 
einnimmt.“ 
Man stelle sich Balfours Verlegenheit vor, wenn an diesem 28. Februar 
die unzweideutige Erklärung über Belgien vorgelegen hätte. So aber ge- 
lang es ihm, für den Augenblick die sittliche Entrüstung neu zu beleben, die 
seit Kriegsanfang eine der großen Kraftquellen des englischen Krieges war. 
Der Abgeordnete Runciman hatte in der Debatte erneut für Anterhand- 
lungen gesprochen; an der Abstimmung nahm er nicht teil. 
Der taktische Erfolg Balfours bleibt aber ohne tiefe Wirkung auf das 
Land. Jeder, der die englische Dresse sorgfältig liest, muß feststellen: die 
azifisten sprechen nicht nur für sich selber, sie geben der Unzufrieden- 
bheit und Beunruhigung weiter Kreise Ausdruck, die bisher zum Kriege 
standen. 
Ende Februar war die zwangsweise KRationierung in England ein- 
geführt worden. 
Amerika enttäuschte. Viel Kriegsgepränge, Prozessionen und schöne 
AReden konnten über die Tatsache nicht wegtrösten, daß England durch 
Amerika noch nicht deblockiert war und daß die bevorstehende Schlacht im 
Westen, die viele als Entscheidungsschlacht ansahen, ohne amerikanische 
Wasffenhilfe würde geschlagen werden müssen. 
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