tretenen Sinnesänderung sei von deutscher Seite größte Zurückhaltung
am Platze. Mir ist später erzählt worden, daß der holländische Minister
des Auswärtigen, Loudon, Dr. Rosen gegenüber als eine amerikanische
Friedensbedingung die Revision des Brest-Litowsker Friedens genannt
und die Antwort erhalten habe: Pax non olet! Man hat in dieser
Außerung einen Grund für den Abbruch der Aktion gesehen.
Daran glaube ich nicht. In Washington, London und Daris war kein
ernster Wille zu Verhandlungen vorhanden. Gewiß, die Sorge vor der
kommenden Waffenentscheidung war groß und erzeugte wohl nervöse Angste
und entsprechende Ermächtigungen an die auswärtigen Vertreter; aber
das war immer nur die Danik eines Tages, von der man sich durch einen
Blick auf die unerschöpften Reserven an Menschen und Material erholen
konnte. Die Regierungen der Allianz hätten nur unter dem Druck der
öffentlichen Meinung verhandelt, und an uns war es erst, diesen Druck
hervorzurufen.
Über die Anterredung zwischen Noeggerath und Haeften berichtet Oberst-
leutnant W. Foerster in seinem Buch „Graf Schlieffen und der Welt-
krieg"1: der Eintritt in amtliche Friedensverhandlungen sei von folgenden
Bedingungen abhängig gemacht worden:
„Bedingungslose Räumung Nordfrankreichs und Belgiens, Zahlung der
Wiederherstellungskosten, Selbständigmachung Elsaß-Lothringens, Nichtigkeits-
erklärung der soeben im Osten zustande gekommenen Friedensschlüsse, Verweisung
aller Ostfragen an eine von der Entente zu berufende Friedenskonferenz und
völliger Wechsel des Regierungssystems in Deutschland in dem später von Wilson
geforderten und erzwungenen Sinne.“
Diese Darstellung irrt. Sie sagt gleich zeitig zu viel und zu wenig: Wenn
auch Deutschland in diesem Augenblick zu all diesen Bedingungen unter
der Hand ja gesagt hätte, so würden die Ententeregierungen doch nicht die
1 Berlin 1921. Dritter Teil. S. 79. W. Joerster fußt offenbar auf Haeftenschen
Informationen. Ich schließe das aus Haeftens Aussage vor dem Untersuchungs-
ausschuß: auch sie weicht in wesentlichen Hunkten von der Noeggerathschen Version
ab, wie sie mir im März 1918 mitgeteilt wurde.
Vor allem hält Haeften daran fest, daß Noeggerath als Vorbedingung für
jegliche Eröffnung von Friedensbesprechungen den Sturz der Regierung Hertling
verlangt habe. Damit war die ganze Aktion für Haeften außerhalb der praktischen
Dolitik gerückt. Ich folge im Text der Noeggerathschen Version, nach der auch sonst
in diesem Buch befolgten Gewohnheit: In einem Falle, da Aussage gegen Aussage
steht und die bona füdes des Aufnehmenden sowohl wie des Mitteilenden außer
allem Zweifel ist, das größere Gewicht der Erinnerung desjenigen zu geben, der sich
genau entsinnt, bestimmte Dinge gesagt zu haben. Zum mindesten steht danm fest,
daß er sie hat sagen wollen.
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