schiedenheiten noch gerade heilbar, aber sie verschärfen sich mit jedem
Kriegsmonat. Der österreichische Organismus ist nächst dem russischen der
am wenigsten widerstandsfähige.
In der Türkei drohen große Schwierigkeiten im Augenblicke, wo es klar
geworden sein wird, daß wir nicht imstande sind, Palästina und Agypten
wieder zu erobern. Schon heute hat die englische Parole: „Haltet euch für
den Verlust der verloren gegangenen Provinzen dadurch schadlos, daß
ihr die Deutschen aus dem Gebiet, das ihr noch besitzt, los werdet,“ eine
gewisse Anziehungskraft. Die militärischen Möglichkeiten Englands in der
Türkei sind schwer berechenbar.
4. Unsere Feinde sind nicht mehr uneinig. Frankreich wird in seiner
Todesnot nicht preisgegeben werden. Sein Abspringen ist daher unwahr-
scheinlich. Seine Notlage wird wahrscheinlich auf Verhandlungen hin-
drängen; aber auf diesen Verhandlungen wird die Entente solidarisch vor-
gehen.
a) Für Amerika wird es unmöglich geworden sein, die Entente im Stich
zu lassen. Es wird viel amerikanisches Blut für Elsaß-Lothringen geflossen
sein. X. erwartet von den Verlustlisten die endgültige Bindung Amerikas
an die Entente. Falls die Verhandlungen scheitern, würde Amerika den
Krieg mit aller Energie fortsetzen. Gewiß, Wilson würde als Kriegsorgani-
sator kaltgestellt werden. Aber diese Blamage unseres unangenehmsten
Gegners wäre nur ein sentimentaler Trost für uns. Die amerikanische
Kriegsmaschine würde laufen unter anderer und besserer Führung.
b) Es werden sich neue Bindungen zwischen England und Frankreich ge-
knüpft haben.
Diese neue Entente wird einen diplomatischen Generalangriff auf unsere
Demokratie machen. Wie wird unser Volk dann reagieren?
Wie immer auch unsere Offensive ausfallen mag, im Volk sind Illu-
sionen genährt worden, die zu einer schweren Reaktion führen müssen. Man
erwartet in breiten Kreisen die tödliche Zwangslage für die Feinde, Frieden
schließen zu müssen. „Ansere AUnterhändler müssen Frieden nach Hause
bringen,“ das wäre die Stimmung
Im Winter erholt sich das Volk immer von den Verlustlisten. Der Blut-
zoll, den Deutschland diesmal zu entrichten haben wird, wird vielleicht dem
von Verdun gleichkommen. Der fünfte Kriegswinter steht vor der Tür
mit allem, was er bedeutet. Die Gefahr der Volksseuchen muß hier auch
erwähnt werden.
In dieser Verfassung wird der dipomatische Generalangriff Deutsch-
land treffen. Anser Volk wird sturmreif sein für das Ministerium Hen-
derson—Thomas. Solange Imperialisten wie Carson und Lloyd George
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