Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

stützt. Die Hilferufe des russischen Liberalismus, es möge sich zugunsten 
der Fremdvölker einsetzen, hat es unter Berufung auf die Kriegsnotwendig- 
keit abgewiesen. Derselben Kriegsnotwendigkeit zuliebe hat England seiner 
historischen Rolle, das Ansehen der weißen Rasse zu schützen, entsagt. Ge- 
wiß, auch wir haben zu Schandtaten unserer Bundesgenossen geschwiegen; 
aber wir haben auch bisher immer nur für unser Dasein und nicht für eine 
bessere Welt kämpfen wollen. 
Unser Dasein ist heute gesichert; wir können nunmehr getrost Menschheits- 
ziele in unser Drogramm aufnehmen. 
Hier muß gleich davor gewarnt werden, als könnten wir Englands 
Methode nachahmen, erst Wunden zu schlagen und sie nachher zu beilen. 
Denn die Fähigkeit, Wunden zu heilen, haben wir in der Geschichte bis- 
her nicht bewiesen — im Gegenteil, wir haben es fertiggebracht, den natür- 
lichen Heilungsprozeß der von uns geschlagenen Wunden zu stören. 
Aber wird sind in der glücklichen Lage, daß wir den Rechtsgedanken auf- 
richtig auf unsere Fahne schreiben können: wir brauchen kein Unrecht zu tun, 
um unsere Macht zu erweitern. Wir können sagen: Trachtet am ersten nach 
dem AReich Gottes, so wird euch solches alles zufallen. 
Das Aecht war mit uns, als wir das russische Reich in Stücke schlugen; 
das Recht war mit uns, als wir den befreiten Völkern ihre nationale Frei- 
heit verbürgten; der Rechtsgedanke war mit uns, als wir ein Kolonial= 
reich in Afrika forderten, das unseren kolonisatorischen Fähigkeiten ent- 
spricht. Das Recht ist mit uns, wenn wir im Interesse der weißen wie der 
schwarzen Rasse die Abschaffung des Militarismus in Afrika fordern. 
Das Recht ist mit uns, wenn wir eine kontinentale Zusammenfassung zum 
Schugtze der Freiheit der Meere erstreben und in den Dienst dieses Mensch- 
beits zieles unseren U. Bootkrieg, ja das U.Boot überhaupt stellen wollen. 
Zwischen uns und dem Recht steht nur die belgische Frage. Unser wohl- 
verstandenes Interesse geht sonst überall in der Welt Hand in Hand mit 
dem Menschbeitsinteresse. Aber wir sind nicht in der Lage, diese Solidarität 
des deutschen und des Menschbeitsinteresses glaubhaft zu machen, ohne 
daß wir die belgische Frage bereinigen. Solange wir hier mit versteckten 
Vorbehalten arbeiten, geben wir England immer noch einmal Gelegenheit, 
als Beschützer des Rechts in die Schranken zu treten und sich in dieser Rolle 
auf unsere Kosten moralisch zu rehabilitieren. 
Wie England, so brauchen auch wir für unseren Imperialismus mehr 
als das große nationale Drogramm — wir brauchen die Menschen, die 
durch ihren Charakter unser nationales Ethos glaubhaft machen. Es ist in 
diesem Kriege ein neuer deutscher Mensch geworden. Die Welten des 
Denkens und des Handelns waren vor dem Kriege nur zu oft zwei getrennte 
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