Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

dem Titel „Schuldig“ verbreitet, aber das gibt nur ein blasses Bild 
von der Ausnützung der Denkschriften zur Festigung der englischen 
Kriegsmoral. 
„Westminster Gazette“ vom 3. April schreibt: 
„In all den Leiden und Schrecknissen dieser Zeit ist über dieses Land das über- 
wältigende Gefühl gekommen von der Einheitlichkeit und Gerechtigkeit dieses 
Krieges .. Es mag ein paar Leute geben, die, als Hindenburgs Hammerschlag 
fiel, Reue hatten wegen des Augusts 1914, aber die erstaunlichen Enthüllungen 
von Lichnowsky und Mühlon haben mit einem Male die ganze Gradheit der 
englischen Sache tiefer und tiefer in die Seele des Landes gegraben ... Nun ver- 
nehmen wir das Zeugnis von solchen Deutschen, deren Autorität und Infor- 
mationsquellen unbestreitbar sind, das besagt, daß der Kaiser tatsächlich schuldia 
ist, und in unserem Innersten dreht sich etwas um, wenn wir hören, wie dieser 
seinen Gott als seinen Zeugen und Helfer bei seinen Verbrechen anruft.“ 
Die zweite Kraftquelle des Kriegsidealismus ist die Aberzeu- 
gung: Deutschlands Kriegsziele bedrohen die Sicherheit und Ehre 
Englands. 
Das Hauptmaterial, mit dem die englische Regierung arbeitet, be- 
steht aus unseren öffentlichen Kundgebungen. „Sämtliche deutsche Zei- 
tungen sind eigentlich jetzt Pan-German“", sagt „Manchester Guar- 
dian“. Telegramme der Obersten Heeresleitung werden abgedruckt, 
ebenso Äußerungen des Kaisers. 
Eine dritte Kraftquelle ist das Gefühl: die Zeit arbeitet für uns 
und gegen Deutschland. 
Alle Wendungen, die von einer Entscheidungsschlacht sprechen, werden 
aus der deutschen Presse sorglich hervorgeholt. Zunächst wird der Name 
„Kaiserschlacht“ in diesem Sinne ausgebeutet. „Daily News“ betont, 
daß in allen Kundgebungen des Kaisers und der Obersten Heeresleitung 
das Wort „schleunig“ eine große Rolle spielt. Hinter diesem Worte 
stünde die ganze ungeduldige Friedenssehnsucht des deutschen Volkes. 
Seine einzige Rettung sei ein rascher Friede. 
Begleitet wird diese Beweisführung durch eine große Anzahl von 
Zeitungsstimmen, die die schlechte Ernährungslage in Deutschland be- 
leuchten. 
1 Es geschah gegen den Willen des Fürsten Lichnowsky, daß seine vertraulichen 
Aufzeichnungen öffentlich bekannt geworden sind. Sie zirkulierten nur in ein- 
geweihtem Bekanntenkreis, bis durch einen unverzeihlichen Vertrauensbruch die 
versprochene Diskretion verletzt wurde. 
2 „Bremer Weserzeitung“ gegen die Verminderung der Fleischrationen; „Lokal- 
anzeiger“ teilt mit, daß kein privater Verkauf von Schweinen mehr in der Provinz 
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