Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Es half nichts, die kostbare Ruhepause verrann. Jetzt war noch Bereit- 
schaft der Engländer da, in der belgischen Erklärung den ehrenvollen Aus- 
weg zu sehen. Wie lange noch? Die Amerikaner strömten nach Frankreich. 
Es kamen weit mehr, als selbst die Alliierten erwartet hatten, und unsere 
Entbehrungen in der Heimat wuchsen täglich und ließen sich nicht mehr 
verschleiern. 
Da wurde ich durch folgende Mitteilungen aus der Schweiz aufgeschreckt. 
Stegemann hatte sich Anfang Mai 1918 einem Mitglied der Mili- 
tärischen Stelle gegenüber freimütig ausgesprochen. 
Zwei Dinge seien schlimm für Deutschland: 
1. Der Kemmel ist zu spät genommen. 
2. Ihre Oberste Heeresleitung sagt nicht die Wahrheit. Der Foch 
hat etwas vor, er stopft nicht nur. Dazu kenne ich das militärische 
Ingenium Fochs zu gut aus seinen Schriften. 
Der mir am 11. Mai übersandte Bericht fuhr dann fort: 
„Stegemann faßte sich dahin zusammen: „Deutschlands militärische Lage ist 
glänzend — und hoffnungslos. Begründung: Deutschlands Siege lassen sich nur 
fruchtbar machen durch einen politisch-pspchologischen Angriff auf die feindlich en 
Völker. Ein Augenblick hierfür, wie er nie wiederkommt, ist verpaßt. Ich, Stege- 
mann, habe genaue Kenntnis, daß Deutschland mit der drohenden Offensive eine 
politische Machtstellung hatte, von der Deutschland selbst ahnungslos war. Die 
Nervosität der Entente steigerte sich von Tag zu Tag. Ihre Stellung verbesserte 
sich nicht, selbst wenn man noch ein paar Monate gewartet hätte . Die eigene 
Initiative war vollständig gelähmt. Eine deutsche Erklärung über Belgien in dieser 
Situation hätte entweder die Offensive überflüssig gemacht oder in ihrer Wirkung 
verhundertfacht. Ich hatte die Absicht, einen offenen Brief an den Grafen Hert- 
ling zu schreiben — ich habe es dann nicht getan, weil ich nicht wußte, wie die 
Oberste Heeresleitung stand.“ 
Stegemann führte dann aus, wie Deutschland niemals siegreich aus diesem 
Kriege hervorgehen könnte, wenn nicht die leitenden Männer einsähen, daß zur 
höchsten Kriegskunst die Beherrschung der Bölkerpsychologie gehört.“ 
Auf die Bitte, Stegemann möchte doch eine Aussprache mit Luden- 
dorff suchen, antwortete er: 
„Zunächst wäre mein großer Wunsch, einen anderen Mann zu sprechen — DPrinz 
Max von Baden. Er ist ein liberaler Fürst — das sagt alles. Seine Reden, seine 
philanthropische Vergangenheit geben ihm die unangreifbare Position, um ... 
die Welt mit Deutschland zu versöhnen.“. 
Der Bericht schloß: 
„Die Regierung läßt sich nur von öffentlichen Strömungen drücken 
Es kann nur noch aus fürstlichen Kreisen die Rettung kommen. Mir sagte Stege- 
mann: er wisse vom Kronprinzen von Bayern, daß er rechten Sinnes sei. Groß- 
275
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.