handlungstisch zu treten, damit man erneut an die Waffen appellieren
könne, wenn unmögliche Bedingungen gestellt werden würden. „Ehe Sie
Ihr letztes Pferd aus dem Stall ziehen, machen Sie Schluß!“
Der General stimmte mir zu. Ich konnte bei dieser Gelegenheit nicht
mehr sagen. Man stand unter dem Eindruck der Inanspruchnahme durch
die bevorstehenden militärischen Operationen.
Die neue Offensive wurde zu einem Angriff von unerhörter Wucht. Er
richtete sich gegen die französische Front zwischen Aisne und Marne. Die
Anfangserfolge überstiegen die kühnsten Erwartungen und trugen die
Schlacht weiter als im ursprünglichen Plan der Obersten Heeresleitung
lag. In Paris wollte eine Panik ausbrechen, aber dem greisen Clemenceau
gelang es, sie zu beschwören: „Ich schlage mich vor Paris, ich schlage
mich in Paris und ich schlage mich hinter Paris.“! Am 3. Juni kommt
der deutsche Angriff zum Stehen. Ludendorff versucht noch, die Offensive
vorwärts zu stoßen, aber die französischen Gegenangriffe, nunmehr von
Amerikanern verstärkt, zwingen ihn, am 11. die Schlacht abzubrechen
ohne die Entscheidung erzwungen zu haben. Er läßt jedoch einen gewaltig
vorspringenden Keil an der Marne stehen in der für Freund und Feind
deutlichen Absicht, zu gegebener Stunde die Offensive wieder aufzu-
nehmen.
Während die Schlacht noch in siegreichem Fortschreiten war und der
Jubel in Avesnes hochging über die stürmischen Erfolge am Chemin des
Dames, unternahm Haeften, was wohl kein anderer gewagt hätte: er traf
mit einer Ausarbeitung? im Hauptquartier ein, die zur Sorge und Vor-
sorge stimmen wollte und in den Worten gipfelte:
„Wir dürfen uns nicht wie bisher von den Ereignissen kreiben
lassen und warten, ob uns eines schönen Tages die politischen
Früchte unserer Siege in den Schoß fallen. Ohne das Einsetzen
einer planmäßig handelnden Staatskunst vor Abschluß der
militärischen Operationen kann der staatsmännische Friede
nicht sichergestellt werden, der allein unseren Interessen ent-
spricht.“
Haeften glaubte, er würde mit seiner Denkschrift herausgeworfen
werden. Aber General Ludendorff wurde nachdenklich und ließ sich davon
überzeugen, daß er von der Reichsleitung eine politische Offensive fordern
müsse, weil die Siege allein den Frieden nicht schaffen könnten. „Es ist
1 Bglgl. Hermann Stegemann, Geschichte des Krieges; Stuttgart und Ber-
lin 1921, IV, S. 566.
Gedruckt: Ludendorff, Urkunden, S. 478ff. Vgl. auch Ludendorff, Meine
Kriegserinnerungen 1914 bis 1918, Berlin 1919, S. 476.
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