Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

humane Gefangenenbehandlung im Sinne des Obersten Kriegs- 
herrn liegt. Als solche Außerung käme in Betracht entweder: 
„Wer Härten an feindlichen Gefangenen verübt, die mit den 
Kriegszwecken nichts zu tun haben, ist ein bewußter Agent des 
feindlichen Auslandes“; oder: 
„Der Geist des Roten Kreuzes gehört ebenso zur deutschen Armee 
wie der Offensiogeist. Wer einen wehrlosen Feind nicht schont, ver- 
rät seine Hflicht geradeso wie derjenige, der nicht alles zur Ver- 
nichtung des kämpfenden Feindes tut.“ 
Ich begleitete die Eingabe mit dem folgenden Schreiben: 
Baden--Baden, den 28. Juni 1918. 
„Mein allergnädigster Better! 
Oie eingehende Beschäftigung mit der Gefangenenfürsorge und aller damit zu- 
sammenhängenden Fragen, der ich mich seit dem Jahre 1914 gewidmet habe, hart 
mir dadurch, daß ich mit Freund, Feind und Neutralen verkehren mußte, einen 
tiefen Blick in diese schwierige, traurige und hochinteressante Seite dieses Krieges 
verschafft. Sie bietet, wie kaum eine zweite, Gelegenheit, völkerpsychologische 
Studien zu machen und Einsicht zu gewinnen in das Seelenleben des einzelnen wie 
in die Zusammenhänge, welche hinter dem Leben und Leiden dieser Hunderttau- 
sende von beklagenswerten Menschen stehen, auf diese einwirken und von ihnen 
wieder auf die Länder, denen sie entstammen, zurückreflektieren. Ich habe mit vielen 
Hunderten von deutschen, aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Soldaten und 
mit Hunderten feindlicher Gefangener in Deutschland gesprochen, mich an den 
Organisationen zu ihrer Unterstützung beteiligt und zahlreiche Korrespondenzen 
über ihren Austausch und ihr Schicksal überhaupt unterhalten. 
Dabei ist es mir sehr klar geworden, daß wir es bei diesen Fragen nicht nur 
mit einer rein menschlichen, sondern mit einer hochpolitischen Angelegenheit zu 
tun haben. Denn hinter jedem Gefangenen steht seine Familie und sein Anhang, 
und diese zu Millionen anwachsende Zahl Beteiligter und Mitleidender bildet 
naturgemäß eine Macht, d. h. eine Meinung. Diese Meinung zu Deutschlands 
Gunsten zu beeinflussen und zu nutzen, war mein Bestreben vom Augenblick an, da 
ich die Tragweite und Wirkung dieser Sache erfaßte. 
Mit meinem von mir hochgeschätzten Landsmann, dem Generalmajor Friedrich, 
dessen Intelligenz und wahrhaftige Menschlichkeit ich nicht genug rühmen kann, 
dem Leiter der Gefangenenfragen im Kriegsministerium, habe ich viel und ein- 
gehend über diese Fragen gesprochen. 
Manchen Strömungen zum Trotz, die namentlich anfangs des Krieges eine 
rücksichtslose Behandlung der Gefangenen als patriotische Tat betrachteten, hat 
seine kluge und menschlich edle Tendenz sich durchgesetzt. Wir dürfen es ihm in erster 
Reihe danken, daß er, um Deutschlands guten Namen, hohe Kulturstellung und 
Traditionen besorgt, ARichtlinien durchsetzte, deren Befolgung uns Ehre macht. 
Freilich sind, ohne sein Zutun, Dinge vorgekommen, die nicht hätten geschehen 
dürfen. Die Macht und der Einfluß des einzelnen Vorgesetzten auf das Schicksal 
des Gefangenen sind natürlich sehr groß; wir wissen, wie Kommandanten der 
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