Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

„Wir haben ja zwar einige kleine Echees erlitten, immerhin aber nicht solche, 
daß wir annehmen müßten, unsere militärische Situation wäre schlecht oder gar 
verzweifelt.“1 
Aber die Wahrheit sickerte natürlich überall durch, und über das ganze 
Oand ging ein banges, mißtrauisches Fragen. Ich erbielt in diesen Tagen 
drei bedeutsame Warnungen. 
Der Sozialdemokrat Fendrich schrieb mir am 9. August einen Brief, 
erfüllt von Sorge um das Durchhalten der Heimat. Er betonte den natio- 
nalen Abwehrwillen, der seine Partei beherrschte, und konnte sich nicht 
nur auf seine eigene gute Gesinnung berufen, sondern starke und stolze 
Worte aus dem „Vorwärts“ anführen: „Die Gefahr verzehnfacht unsere 
Gewalt“; aber Fendrich fügte die Mahnung hinzu: nicht ohne das Ver- 
trauen in die Führung draußen und drinnen, sonst kann die zehnfache Ver- 
minderung der Kraft die Folge der Gefahr sein. And dann verwies er 
auf die Angriffe gegen die Sozialdemokraten in dem Aufruf des Bundes 
der Kaisertreuen, darin zum Bürgerkrieg aufgefordert und unter anderem 
den Mehrheitssozialdemokraten vorgeworfen wurde, daß amerikanische 
Millionen bei ihnen arbeiteten. Fendrich fuhr fort: Alles steht auf des 
Messers Schneide, jedes Wort hat jeczt sein tausendfaches Gewicht, und 
die es mit dem Wohl der Monarchie und des Vaterlandes so ernst nehmen, 
sollten sich auch in höherem Maße ihrer Verantwortlichkeit für das 
Ganze bei der Abfassung und Verbreitung ihrer Aufrufe bewußt sein. 
Kronprinz Rupprechtgabmir den folgenden beunruhigenden Bericht: 
„München, 15. August 1918. 
„Lieber Max! 
„Eben hier eingetroffen, beeile ich mich, Dir für Deinen Brief 
vom 7. und die Denkschrift vom Februars herzlichst zu danken. 
„Was nun die Denkschrift betrifft, so ist sie famos, doch treffen leider 
alle Voraussethungen nicht mehr zu, unter denen sie verfaßt wurde. Durch 
die fehlerhafte Operation über die Marne und die sich daran reihenden 
schweren Rückschläge, die sowohl in materieller wie moralischer Hinsicht 
geradezu verhängnisvoll, hat sich unsere militärische Lage so rapid ver- 
schlechtert, daß ich nicht mehr glaube, daß wir über den Winter werden 
aushalten können, ja, es kann sein, daß bereits früher eine Katastrophe 
eintritt. — Sehr schlimm ist die Art unserer amtlichen Berichterstattung; 
sie bewirkt, daß man in der Heimat wie in der Armee das Vertrauen zur 
1 Dach der Mitteilung des braunschweigischen Bundesratsgesandten Boden. 
2 Gedruckt: Anton Fendrich, Die Kluft, Stuttgart 1919, S. 82 ff. 
* „Ethischer Imperialismus“, siehe oben II., Kapitel 5. 
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