Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

O. H. L. verliert, und zahlreich vom Feinde zu den Truppen herüberge- 
worfene Propagandaschriften, namentlich Abdrucke der Lichnowskyschen 
Enthüllungen, wirken schädigend auf die Stimmung unserer übermüdeten 
Soldaten. Die Amerikaner mehren sich in ungeahnter Weise, gegenwärtig 
stehen schon 31 amerikanische Divisionen in Frankreich, wir aber sind ge— 
zwungen, nicht bloß eine ganze Reihe von Divisionen aufzulösen, sondern 
obendrein viele Bataillone um je eine Kompagnie zu verringern. Der 
Ersaßz reicht lange nicht mehr aus, die Verluste zu decken, und ist zudem 
wegen Mangels an Ausbildungspersonal, Unterernährung und körper- 
lichen Gebrechen minderwertiger wie der Ersatz, über den unsere Gegner 
noch in großer Menge verfügen.— Es handelt sich daher (darum], wollen 
wir eine unsere ganze Zukunft als Volk vernichtende militärische Kata- 
strophe vermeiden, ungesäumt mit Friedensangeboten an unsere Gegner 
heranzutreten, speziell an England, und zwar mit solchen Angeboten, die 
angenommen werden können und mit Rücksicht auf die Volksstimmung 
in England auch angenommen werden müssen. 
„1. Völlige Wiederherstellung und Entschädigung Belgiens (jeder 
weitere Kriegsmonat kostet uns ebensoviel). 
„2. Abtretung von Teilen des französischen Sprachgebiets in Deutsch- 
Lothringen (hierzu scheint auch der Kanzler wie die O. H.L. bereit, wenig- 
stens war es diese einmal), dafür Rückgabe und Abrundung unserer 
afrikanischen Kolonien. 
„. Ausgezeichnet finde ich Deinen Gedanken, mit einer Rede hervor- 
treten zu wollen. Ich kann nur wiederholen: Es ist in jeder Hinsicht 
böchste Eile geboten! — und es müssen entscheidende Beschlüsse gefaßt 
und leider auch Opfer gebracht werden, um noch viel Schlimmeres zu 
verhüten. — 
„Gelegentlich mehr, zur Zeit bin ich dringend erholungsbedürftig.“ 
Der dritte Alarmruf kam aus Berlin: 
11. August 1918. 
„Ein Gespräch, das ich heute nachmittag mit einem befreundeten Offizier hatte, 
veranlaßt mich, noch einige kurze Mitteilungen aufzuschreiben. 
Mein Freund kommt durch seine Tätigkeit überall an der Front herum. Er sagte 
kurz folgendes: 
Die ODepression in der Heimat greift auf die Front über. Man hat allgemein 
das Gefühl, daß, wenn es nicht gelingt, innerhalb der nächsten Monate durch einen 
großen politischen Erfolg eine Erweichung des feindlichen Kriegswillens herbeizu- 
führen, Deutschland verloren ist. " 
Vielfach wird von dem bevorstehenden Krach gesprochen, der im Herbst im 
Parlament kommen wird, und nicht ohne Sympathie. Es fallen Worte wie „Mini- 
sterium Scheidemam“ usw. Ein Fliegeroffizier sagte wörtlich: 
Prinz Max von Baden 19 280
	        
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