Man hat das deutsche Volk glauben machen wollen, daß dieser Herbst den
Frieden bringt. Das Volk hat gern daran geglaubt, daß Not und Elend,
Trauer und Sorge bald hinter ihm liegen würden. Es ist in seinen Hoffnungen ent-
täuscht worden. Es wird weiterkämpfen und seine alte Treue und Standhaftigkeit
bewähren, wenn es weiß, daß sein Kaiser der Hüter seiner inneren Einigkeit ist
und sein will, und wenn es sieht, daß die deutsche Reichsleitung diejenigen Wege
geht, die dazu geeignet sind, nicht allein die militärischen, sondern auch die mora-
lischen Widerstände niederzuzwingen und zu beseitigen, die zwischen uns und einem
ehrenvollen Frieden liegen. Hierzu müssen alle ethischen Kräfte herangezogen
werden, über die Deutschland verfügt, und alles vermieden werden, was Zweifel
an der ethischen Fundierung unserer Dolitik aufkommen ließe. Der Kampf der
Geister ist nun einmal entfesselt, wir müsseen auch in ihm Sieger sein, wollen wir
überhaupt als Sieger aus diesem Krieg hervorgehen. Hierzu gehört auch die
Lösung der inneren deutschen Fragen in einer Richtung, die den Beweis liefert,
daß deutsche Freiheit besser ist als westliche Demokratie.
Das ist in erster Linie eine Sache des Vertrauens von oben nach unten und von
unten nach oben. Dies Vertrauen immer wieder zu wecken, immer fester zu ver-
ankern, ist die schöne Aufgabe der Throne und der Staatskunst ihrer Berater.
Nicht leichten Herzens habe ich diesen Brief geschrieben, denn ich scheue mich,
mehr als ich es sagen kann, den Anschein zu erwecken, als wollte ich mich um Dinge
kümmern, die mich nichts angehen. Nur mein unbegrenztes Vertrauen zu Deiner
mir gütigen Gesinnung und die Erwägung, daß es eine Solidarität der Fürsten
gibt, die sie zu gemeinsamer Sorge um das Gesamtwohl des deutschen Volkes ver-
bindet, und eine gemeinsame Dflicht, zu wachen, daß dem monarchischen Gedanken
in Deutschland kein Abbruch geschieht — auch nicht von seiten der monarchisch
Gesinnten — konnten mich zu diesem schweren Schritt veranlassen, dessen gelinde
Beurteilung ich Deiner Nachsicht empfehle.“
Der Kaiser antwortete mir:
„Ich danke Dir von Herzen für die übersendung Deines und Fendrichs Briefes
und für Deine so treue Sorge um Kaiser und Reich. Die Schreiben habe ich dem
Reichskanzler zugeleitet, damit er sich zur Sache äußert und mir weitere Vor-
schläge machen kann.“
Die Wendung in unserer Politik kam noch nicht.
Haeften ging ganz in seinen Propagandaaufgaben auß,#t die als Einzel-
leistungen gelangen und deren Gesamtwirkung doch ein Mißerfolg sein
mußte, weil für eine Regierung geworben wurde, die nicht mehr zu hal-
ten war.
Am 20. August bielt Staatssekretär Solf eine große Redes gegen den
Minister Balfour.
1 Er hatte das Amt als Unterstaatssekretär abgelehnt, war aber Graf Hertling
zur Verfügung gestellt worden, um zusammen mit Ministerialdirektor Deutelmoser
unsere Propaganda einheitlich zu leiten.
*„ Bei einem Empfang von Pressevertretern in der Deutschen Gesellschaft.
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