Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

nehmen, das in diesem Jahr mächtiger sein würde als im 
nächsten; 1919 würde das Schwergewicht bei Amerika liegen. Er schloß 
mit der Forderung, die Lösung der preußischen Wahlrechtsfrage möchte 
in kürzester Zeit erfolgen. 
Der württembergische Minister Weizsäcker sprach womöglich noch be- 
sorgter: Unsere Souveräne hätten unbedingt Anspruch darau#, zu erfahren, 
was nach Auffassung der Obersten Heeresleitung die Chancen seien, mit 
denen wir im nächsten Jahr weiterkämpfen könnten. Man habe zu sehr im 
Traum einer Zuversicht gelebt, jetzt müsse die Nation wissen, daß es ums 
Ganze geht. 
Graf Hertling und Staatssekretär v. Hintze gaben den Ernst der 
Lage zu. Hertling sagte jedoch, die Depression ginge zu weit. Wir hätten 
mit unserer Offensive eine Enttäuschung erlitten, aber auch dem Feind sei 
der Durchbruch nicht gelungen. Er könne sich nicht darüber äußern, ob 
man im Jahre 1918 deutscherseits noch eine Offensive unternehmen wolle, 
da er geflissentlich vermeide, mit Rücksicht auf die Geheimhaltung, sich 
über militärische Einzelheiten informieren zu lassen. Die Frage des Mann- 
schaftsersatzes sei sehr ernst in guantitativer und qualitativer Hinsicht. Man 
sei zu dem Entschluß gekommen, die Situation in ernstester Weise zu ver- 
folgen und das Anknüpfen von Fäden mit den Gegnern sorgfältig zu er- 
wägen, damit der richtige Moment ergriffen werde, um zu Konversationen 
zu kommen. Graf Hertling skizzierte dann Deutschlands Mindestforde- 
rungen, die bereitgehalten werden müßten: „Definitivum des Friedens im 
Osten, möglichstes Desinteressement in Belgien, das wir wiederherstellen 
wollten, aber nur insoweit, daß keine feindliche Macht größere Vorteile 
hat als wir. In Frankreich möglichstes Interesse an Briey und Longwy.“ 
Der Staatssekretär v. Hintze wandte sich gegen den Vorschlag Bayerns 
mit guten Gründen. Er sagte, daß der gegenwärtige Siegesübermut der 
Feinde Verhandlungsmöglichkeiten ausschlösse, erst nach verrauchtem Tau- 
mel könne man Fäden hinüberspinnen, wenn der Feind merke, daß wir 
weit davon entfernt seien, uns einen Frieden diktieren zu lassen. Herr 
v. Hintze wies darauf hin, wie leider Osterreich diese Erkenntnis nicht teile. 
Wien stände im Gegriff, sich selbst an den Feind zu wenden. Die von 
Osterreich ins Auge gefaßte Form, zum Abschluß zu kommen, gliche schon 
mehr dem Schrei eines Ertrinkenden. Er kündete an, daß er im Begriff 
stände, nach Wien zu reisen, um wenn irgend möglich den österreichischen 
Friedensschritt aufzuhalten. 
1 Vgl. Cramon, a. a. O., S. 176ff. und die „Chronologische Ubersicht der Ent- 
wicklung des österreichisch-ungarischen Friedensvorschlags“, Amtliche Urkunden Nr.“. 
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