Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Heute erschreckte mich sein Ernst und seine Eindringlichkeit. Aus seinen 
Worten klang ein Vorwurf: Seine ganze Politik basiere darauf, daß der 
Kaiser rechtzeitig aufgeklärt würde und rechtzeitig handle. Ich hätte immer 
die Parole ausgegeben: Nur keine parlamentarische Krise. Krisen fielen 
den Soldaten auf die Nerven. Naumann und er hätten dauernd in diesem 
Sinne gewirkt. Was aber, wenn der Kaiser die Realitäten nicht erführe? 
Dann wäre es ja tausendmal besser, man sorgte jetzt für die Einberufung 
des Hauptausschusses und verfrühte planmäßig die Krisis, die panikartig 
ausbrechen würde, sowie ein Unglücksfall einträte, sei es an der deutschen 
Front oder in Osterreich. 
Ich fragte Haußmann, wie seine Fraktion und die übrigen Majoritäts- 
parteien meinem Namen und meinem Programm gegenüberständen. Er 
erwiderte: „Meine Partei wird den Prinzen Max von Baden mit dem 
Drogramm, das ich bestimmt von ihm erwarte, einmütig unterstützen. 
Das ist meine sichere Vermutung . Oie Sozialdemokratie wird den Ab- 
gang Hertlings als Erlösung empfinden und Ihnen zustimmen, wenn das 
Regierungsprogramm so ist, daß der Eintritt von einem oder zwei Ver- 
tretern der Sozialdemokratie in die Regierung erwartet und verlangt wer- 
den kann. Das Zentrum wird, wenn der Bruch mit Hertling sich nicht ver- 
letzend vollzieht und ein anderes Mitglied des Zentrums in die Regierung 
einzieht, zum großen Teil hinter der Holitik Eurer Hoheit stehen . . . In 
der Bevölkerung wird der Wechsel als großes Ereignis hoffnungsvoll be- 
grüßt werden . 
Dann aber stellte er die Frage: Welche Freiheit der neue Kanzler gegen- 
über dem Kaiser und gegenüber der Heeresleitung haben würde? 
Ich erwiderte ihm, daß ich ohne diese Freiheit das Amt des Kanzlers 
nicht annehmen würde, daß ich mir aber die gleiche Anabhängigkeit gegen- 
über dem Reichstag sichern müßte. Drei Vertreter der Majoritätsparteien 
wollte ich in führenden Amtern haben. Ich sei jedoch ein Gegner des franzö- 
sischen Harlamentarismus, der nur Deputierte als Minister dulde. Auf die 
Mitarbeit der Beamten und Männer aus freien Berufen wollte ich nicht 
verzichten. Ferner könnte ich keine Einmischung der Legislative in die 
Exekutive zulassen, wie sie unter Mich#aelis versucht und gelungen sei. Als 
die Mitarbeiter aus dem Parlament, die ich mir wünschte, nannte ich 
v. Payer, v. Rechenberg und Ebert. Herrn v. Kardorff hatte ich 
als Chef der Reichskanzlei im Auge, und Herrn Haußmann selbst dachte 
ich als parlamentarischen Anterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes zur 
intimen Mitarbeit heranzuziehen. 
Haußmann bekannte sich zu einer organischen Entwicklung unseres Re- 
gierungssystems und lehnte die schematische Nachahmung westlicher Ein- 
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