nehmen, nach seiner jüngsten Rede, und uns auch mit Brockdorff- Rantzau zu-
frieden geben.
3. Hertling versucht vorzubeugen und ein Koalitionsministerium von Westarp
bis Scheidemann zu bilden. Wir würden uns nicht beteiligen, sondern in Opposition.
gehen und auf unsere Zeit warten, die sicher kommen wird. Wir haben heute einen
starken Rückhalt im Volk, auch bei den Soldaten. Die Männer da oben, und wir
allerdings auch, müssen dann noch durch viele schmerzliche Erfahrungen hindurch.
Als Deutscher hasse ich es, das Wort auszusprechen, aber: dann muß es eben noch
schlimmer kommen.
Mein Berichterstatter sprach dem sozialistischen Führer von einer vierten
Möglichkeit: Nehmen wir einmal an, die Krone ergreift die Initiative,
das Wahlrecht kommt, mit dem deutlichen Beweis, daß der Wille des
Kaisers dahinter steht, ein neuer Kanzler wird berufen, der sich grundsätz-
lich mit der Reichstagsmajorität einigt, würden Sie dann in sein Mini-
sterium einen Sozialdemokraten schicken?
Die Antwort lautete:
„Ich bin durch die Erfahrungen dieses Krieges sehr skeptisch geworden.
Haben Sie schon jemals in der Geschichte gesehen, daß Monarchen recht-
zeitig zur Einsicht kommen? In Augenblicken, wo die Anzeichen der Ge-
fahr sich schon melden, wo aber die Krone durch eine freie Initiative
noch alles retten kann, wird ihr immer von ihrer mgebung gesagt
werden: Nun aber fest bleiben. Die Gefahr erfordert eine starke Hand.
Nur nicht nachgeben, sonst geht alles verloren. So ist noch jede Regie-
rung ins Verderben getaumelt, die sich vor der Revolution gefürchtet
bat.
„Glauben Sie mir, auch die Hohenzollern von heute handeln nur,
wenn es zu spät ist. Man wird die Dinge treiben lassen, bis die Ereignisse
stärker werden als die Menschen.
„Es wäre das erstemal in der Weltgeschichte, daß vorausschauende
Staatskunst den Wagen auf der schiefen Ebene aufgehalten hätte."
„Aber wenn nun der neue Mann doch ernannt würde und träte mit
einem überzeugenden Programm vor den Reichstag, würde dann Ihre
Partei bereit sein, an der Verantwortung teilzunehmen?“
Der Darteiführer bejahte ohne Zögern: Wir würden unsere ganze Kraft
einsetzen, damit die Pläne unserer Feinde zuschanden werden, denn wir
wissen ganz genau, daß Deutschland verloren ist, wenn die Entente siegt.
Auch andere Nachrichten bestätigten mir, daß bei rechtzeitiger, ver-
trauenerweckender Führung durch die Krone die patriotischen Sozial-
demokraten nicht für den Plan zu haben wären, auf dem Weg der Krisen
die Macht des Parlaments zu erweitern.
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