Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Zentrum will ausdrücklich das Wort „Parlamentarisierung“ vermeiden. 
Trimborn sagt am 23. September 1918:1 „Wir wollen nicht, daß die 
„Parlamentarisierung“ mit diesem Wort als Forderung aufgenommen 
wird. Man läßt solche Sachen sich „organisch entwickeln“ .. Wir können 
nicht vor aller Welt erklären: wir haben uns „bekehrt“.“ Uber die Ab- 
schaffung des Artikels 9 kann man sich noch nicht einigen. Im Zentrum 
sind nach wie vor starke Widerstände. 
Die Sozialdemokraten wollen nicht in ein Ministerium Hertling ein- 
treten: sie erklären sich bereit, an einer neuen Regierung teilzunehmen, 
aber sie denken nicht daran, die Führung zu übernehmen. Sie bringen ein 
Opfer. Das klingt deutlich aus Eberts Worten: 
„Es ist ein gewagtes Spiel für unsere Partei, wenn wir eintreten. Aber 
wir könnten nicht in das Ministerium Hertling eintreten. Der Kredit Hert- 
lings ist so restlos aufgebraucht, das ist unser aller Aberzeugung, daß unser 
Opfer nichts für den Frieden nützt. Ich habe erst gestern einen der größten 
Kaufleute von Hamburg gesprochen, der mir sagte, daß Hertling kein Ver- 
trauen im In- und Ausland hat. Wir haben gar keinen festen Kandidaten.“ 
In den ganzen Verhandlungen vom 20. bis zum 23. September taucht 
nicht ein einziges Mal der Name eines Mannes auf, den der Interfraktio- 
nelle Ausschuß oder auch nur eine Partei auf den Schild erheben will. 
Auch die Entschlossenheit zur Negative, zum Sturz Hertlings, ist nicht 
vorhanden. Man hält seine Position für unhaltbar, aber Hertling selbst 
soll sehen, daß er nicht bleiben kann. „Wir wollen keine Ministerstürzerei,"“ 
sagt Haußmann. Das Zentrum hält noch äußerlich an Hertling fest, 
Gröber und Herold wohl auch innerlich. Aber auch dem rechten Flügel 
ist es lieber, Hertling geht, als daß die Sozialdemokraten draußen 
bleiben. Gröber geht so weit, zu sagen: „Ich wünsche, daß die Sozial- 
demokraten in die Regierung eintreten. Wenn das der Sinn der Dar- 
lamentarisierung ist, so sind wir auch dafür.“ 
Man will die Mitverantwortung der Sozialdemokraten mehr noch um 
des Krieges als um des Friedens willen. Immer wieder kommt das Wort 
„Ministerium der nationalen Verteidigung“ vor, es wird zum Pro- 
gramm. 
„Die Sorge der Ententevölker vor Dauer des Krieges und Glücks- 
umschlag muß durch den entschlossensten militärischen Wider- 
stand vermehrt werden,“ so darf Haußmann die allgemeine Stimmung 
zusammenfassen. 
1 Für die Verhandlungen des Interfraktionellen Ausschusses in jenen Dagen vgl. 
Haußmann, a. a. O., S. 217 ff. 
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