Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Man schätze in Wien das Ausscheiden Bulgariens nicht so hoch ein. 
Hussarek habe dem Grafen Wedel gegenüber aufs bestimmteste betont, 
Osterreich bleibe fest beim Bündnis. — Oer Großwesir habe dem deut- 
schen Geschäftsträger erklärt, daß der Bestand des gegenwärtigen Ka- 
binetts und sein, Talaats, Verbleib an der Spitze, in keiner Weise ge- 
fährdet seien. 
Dieser Optimismus löst Entrüstung bei den Abgeordneten aus. Strese- 
mann behauptet, ganz andere Nachrichten aus Osterreich zu haben. 
Dr. David geht so weit, zu sagen, die Außerung, daß man mit dem Aus- 
scheiden Bulgariens rechne, es aber nicht sonderlich hoch bewerte, könne 
doch nur jemand getan haben, der politisch unzurechnungsfähig sei. 
Der Vorsitzende des Ausschusses, Ebert, fragt die Regierung, was sie 
bei der Gesamtsituation zu tun gedenke: 
Osterreich habe ja doch, wie man aus einer Besprechung beim Staats- 
sekretär des Außern wisse, schon vor Wochen erklärt, es sei geschlagen 
und könne nicht mehr. Auf die Verbündeten sei also kein weiterer Ver- 
laß, jeder Tag bringe uns dem Verhängnis näher. Wie beurteile die 
Meichsregierung die Lage und was wolle sie tun? Darüber müsse das 
Volk Klarheit haben. 
Vizekanzler v. Payer antwortet darauf: 
„ . Die klar ausgesprochene Tendenz der Reichsleitung sei: wir wollen 
Frieden haben und tun dazu alles, was möglich ist; aber das hängt nicht 
nur von uns, sondern auch von unseren Gegnern ab. 
„Die Situation sei sehr ernst, aber deshalb dürften wir nicht die Flinte 
ins Korn werfen. 
„Wegen Bulgarien bleibe zur Stunde nur übrig, mit allen militärischen 
und diplomatischen Mitteln zu arbeiten und deren Erfolg abzuwarten. 
„Ebenso heiße es in der Türkei militärisch abwarten. 
„Im Westen müßten wir uns unserer Haut wehren, so gut 
es irgend gehe. Wir könnten keinerlei Erklärung von uns 
geben, wonach es uns an Kraft feble. Dann seien wir ver- 
loren. 
„Jetzt gehe es um die Verteidigung des Vaterlandes im 
engeren Sinne. 
„Wir sind auf der Wacht, aber wir dürfen uns nicht mut- 
los benehmen.-“ 
Payers Standhaftigkeit gibt der Sitzung das Gepräge. 
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