Tag über parlamentarisiert, und die Wünsche steigern sich von Stunde
zu Stunde.
Bezeichnend für die neue Wendung ist die Haltung des Zentrums:
Gröber verabscheute bisher das Wort Parlamentarisierung. Nun stellt
er im Namen seiner Partei die grundsätzliche Forderung auf, daß die
Fraktionen der Mehrheit im Verhältnis zu ihrer Stärke an der Regie—
rung beteiligt sein müßten. Vergeblich sucht Haußmann zu bremsen: Wir
können nicht diktieren, wer in die Regierung hinein soll.
Nach Schluß der Interfraktionellen Sitzung vom 30. September — spät
am Nachmittag — verhandelt Herr v. Payer noch weiter. Da weiß sich
Conrad Haußmann wieder keinen anderen Nat, als den Oberst v. Haeften
zu Hilfe zu rufen: Die Krone müßte sofort einen Kanzler präsentieren,
Payer verhandle im Auftrag Hertlings immerfort über die Zusammen-
setzung der Regierung und frage die Parteien nach ihren Wünschen.
„Diese Methode bringt die Krone unter den Schlitten."“
Haeften ging sofort zu Herrn v. Payer in den Reichstag und fragte ihn,
ob er selbst geneigt wäre, das Reichskanzleramt zu übernehmen. Payer
verneinte es. Auf die Frage, wen er für geeignet hielte, antwortete er:
Drinz Max von Baden. Sie kamen überein, man dürfe mit der Entschei-
dung nicht länger zögern, der Mann müsse nach Berlin, der die neue Re-
gierung bilden solle. Payer bat Haeften, in diesem Sinne an das Haupt-
quartier zu telephonieren und die Zustimmung der Obersten Heeresleitung
zur Kandidatur des Prinzen Max herbeizuführen.
Als Haeften den General Ludendorff am Telephon erreicht hatte, war
der Feldmarschall bei ihm. Die beiden Heerführer sprachen sofort das
erbetene Einverständnis aus. Haeften erhielt Auftrag, am folgenden Tage
so früh wie möglich Herrn v. Berg, den Chef des Zivilkabinetts, zu ver-
ständigen, der gerade vom Hauptquartier nach Berlin unterwegs war.
Am Morgen des 1. Oktober wurden die Darteiführer Ebert, Fischbeck
und Gröber zu Herrn v. Berg gebeten. Inzwischen gehen die Verhand-
lungen im Interfraktionellen Ausschuß weiter. Es wird — so sagt Hauß-
mann! — die Besetzung der einzelnen Stellen und Verteilung unter die
Parteien „in wenig glücklicher und spmpathischer Weise“ diskutiert:
„Die Zahl der vorhandenen Stellen muß festgestellt werden."“
„Wir erheben Anspruch auf die Stelle des Bizepräsidenten, falls die Stelle
wieder neu besetzt wird.“
„Dann würde ein Mann unserer Partei als Dritter hinzutreten.“
„Wir erheben Anspruch auf eine erste Stelle.“
1 Nach Haußmanns Notizen; vgl. ferner Haußmann, a. a. O., S. 231 ff.
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