Als ich allein war, fühlte ich mich wie erlöst von dem Druck, den die
Botschaften der Obersten Heeresleitung auf uns ausübten. Es stand für
mich fest: die stürmische Energie, mit der General Ludendorff den Be-
schluß vom 29. September durchsetzen wollte, dürfe nicht darüber hinweg-
täuschen, daß dieser Beschluß selbst nur aus einer vorübergehenden Ver-
finsterung geboren sein konnte. Glaubte denn der General Ludendorff, daß
er Befehlsgewalt über Foch und Wilson hätte, wie er sie in diesem Augen-
blick über die Berliner Regierung beanspruchte?
Das Friedensangebot vom Dezember 1916, die Juliresolution, die Kühl-
mann-Aede — alle öffentlichen Friedensfühler waren der Obersten Heeres-
leitung bisher ein Greuel gewesen, weil sie „die Moral des Feindes stärkten,
die unserige schwächten“.
Wenn das richtig war, dann mußte ja der geplante Hilfeschrei dazu
führen, daß unser Millionenheer die Waffen wegwarf und die Meute der
Feinde jubelnd zur Todeshag antrat.! —
Gewiß, ich hatte mir Illusionen gemacht, ehe ich nach Berlin kam. Das
Elsaß — das ich noch glaubte retten zu können — war nach menschlichem
Ermessen verloren, vielleicht noch mehr. Aber die letzten Heeresberichte
bestätigten, daß auch ject die feindliche Infanterie nicht ihre Höchstleistung
vollbrachte, um die gewonnenen Vorteile auszunutzen. Ich traute mir und
meinem DProgramm zu, den Angriffswillen der Feinde noch weiter zu
lähmen; man konnte ja schließlich die 14 Hunkte öffentlich annehmen, wenn
man nur gleichzeitig zum lehzten Aufgebot rief.
Je mehr sich meine Gedanken klärten, um so fester wurde ich in dem
Glauben: es kann noch nicht zu spät sein, die Amkehr herbeizuführen.
Wenn ich nur drei oder vier Tage gegenhielte und in dieser Zeit keine Kata-
stropbe einträte, dann würde sich auch General Ludendorff auf seine Grund-
sätze zurückbesinnen und es verschmähen, einen erbarmungslosen Feind um
Gnade zu bitten. Ich seyte meine Hoffnung auf den Kaiser und den Feld-
marschall, die beide morgen erwartet wurden.
Meinen Kampf gegen das Angebot gedachte ich auf drei Linien zu
führen:
1. Unsere Lage ist nicht derart, um diesen Schrict der Verzweiflung
zu rechtfertigen.
2. Das geplante Angebot verschlechtert unsere Lage.
3. Es gibt einen anderen, besseren Weg.
1 Man stelle sich einmal vor, wie die Oberste Heeresleitung Herrn v. Bethmann
enkgegengetreten wäre, wenn er einen solchen Antrag gestellt hätte.
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