Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Am 2. Oktober um 7 Uhr früh rief Hahn auf meinen Wunsch seinen 
Chef Haeften an, um noch einmal alle Gründe gegen den Plan zusammen- 
zutragen. 
Er sprach von den Schwächen in der feindlichen Position, der in- 
dustriellen Anruhe in England, der unbedingten Entschlossenheit der 
Engländer, in diesem Jahre Schluß zu machen, und der Friedens- 
sehnsucht, die drüben unvermeidlich losbrechen würde, wenn wir nur 
bis zum Ende der Kampagne durchhielten. Er erinnerte Oberst v. Haef- 
ten daran, wie schon einmal der Pessimismus einen verhängnisvollen 
Entschluß gezeitigt hätte, im Januar 1917, als die Oberste Heeres- 
leitung in Erwartung der Generaloffensive der Entente — die dann 
nicht kam — den verschärften U-Bootkrieg durchsetzte. Er sagte ihm, 
daß die Hoffnung auf Wilson trügerisch wäre, und schloß mit den 
Worten: „Was geplant wird, bedeutet ein Jena, das ist die weiße 
Fahne.“ 
Haeften antwortete: „Sie kennen die militärische Lage nicht,“ und fügte 
hinzu: Wilsons Eitelkeit werde ihn dazu veranlassen, die Friedensvermitt- 
lung zu übernehmen. 
Ich beschloß, Herrn Max Warburg zu Hilfe zu rufen, um gegen die 
Illusion anzukämpfen, Amerika würde Entgegenkommen zeigen, wenn wir 
uns demütigten. Warburg war als einer der besten Kenner Amerikas von 
unseren militärischen und politischen Behörden mehrfach zu NRate gezogen 
worden. 
Um 8 Uhr morgens war Haeften bei mir. Er berichtete über seine Ver- 
handlungen mit Ludendorff: Am Mitternacht hatte er den General ans 
Telephon gerufent und anderthalb Stunden mit ihm gerechtet, vor allem 
für Aufschub plädiert und auf technische Schwierigkeiten der Regierungs- 
bildung bingewiesen. General Ludendorff schnitt immer wieder die Gegen- 
gründe mit den Worten ab: Ich will meine Armee retten. Der Feldherr 
dachte nur an seine todmüden, dahinschwindenden Truppen, und der Glaube 
beherrschte ihn, der Feind würde die erbetene Ruhepause gewähren; dann 
hoffte er wieder kämpfen zu können und das Schlimmste abzuwenden. 
Während des Gesprächs erhielt Ludendorff die Nachricht, daß die Ver- 
bindung zwischen dem Kaiser und dem Großherzog hatte hergestellt werden 
können? und daß der Großherzog die erbetene Zustimmung erteilt hätte. 
1 VPgl. Ludendorff, Erinnerungen, S. 588 f. 
: Dank den Bemühungen des Generalstabs, „um die Ernennung des Prinzen 
Max zu beschleunigen“ (Ludendorff, a. a. O., S. 588). Vgl. auch Dayer, a. a. O., 
S. 100 f. 
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