General Ludendorff forderte nun Haeften auf, mich noch in der Nacht
zu wecken und zur Unterschrift zu bewegen. — Haeften hatte den nächtlichen
Auftrag nicht ausgeführt. Er legte mir jetzt den Telegrammwechsel
zwischen dem Kaiser und dem Großherzog von Baden vor:
„An den Großherzog von Baden K. H.
Karlsruhe, 1. Oktober 1918.
In der schwersten Schicksalsstunde des Baterlandes, in der wir durch das Hin-
schwinden unserer militärischen Reserven und unseres Ersatzes gezwungen sein
werden, einen Frieden zu schließen, der nicht den Siegen, die wir erfochten haben,
entspricht, bitte ich Dich, dem Prinzen Max die Genehmigung zu geben, den
Posten des Reichskanzlers zu übernehmen. Ich weiß, daß ich ein schweres Opfer
von Dir verlange, bitte Dich aber, es im Interesse des ganzen Baterlandes zu
bringen, ebenso wie Max bereit ist. Ich muß Dich um sofortige Entscheidung bitten,
da ein Friedensangebot unsererseits durch die Lage geboten ist und Unterschrift des
neuen Kanzlers tragen muß.
Ich bin auf dem Wege nach dem Neuen Palais.“
Der Großherzog antwortete:
„Herzlichen Dank für Dein mich tief bewegendes Telegramm. Ich kann nicht ver-
stehen, daß es gerade Max sein muß, der solch Angebot mit seinem Namen decken
soll; wenn dies aber unabwendbar ist, so ist es mir vaterländische Dflicht, nicht
entgegen zu sein. Max selbst hat meine Zustimmung noch nicht erbeten.
Treueste Wünsche begleiten Dich bei diesen entscheidungsschweren Entschlüssen.“
Haeften drang in mich, ich dürfe mich als Offizier nicht versagen und
müsse das Opfer bringen, das die Armee von mir verlange.
Ich unterbrach das Gespräch, um den Abgeordneten Ebert zu emp-
fangen, den ich zu mir gebeten hatte. Ich erwähnte nichts von dem Be-
schluß des Hauptquartiers und stellte zu meiner Genugtuung fest, daß
von seiner Seite keinerlei Verzweiflungsschritte erwogen wurden. Wohl
stand er unter dem Eindruck unserer großen Gefahr, aber sein ganzes Auf-
treten hatte keinen Anflug von Nervosität. Ich setzte ihm auseinander,
daß ich ein Gegner von Friedensangeboten sei, aber für präzise und öffent-
liche Feststellung der Kriegsziele einträte. Er erhob keinen Einwand.
Ich sagte Herrn Ebert, daß ich keine Regierung bilden würde, der die
Sozialdemokraten fernblieben. Er war erleichtert, als ich den Gedanken
eines Koalitionsministeriums verwarf und die Begründung gab, eine
MRegierung, die sich auf die Majorität stützte, brauche die Opposition der
Rechten. Ebert sprach von dem Opfer, das seine Partei bringen würde,
wenn sie in diesem Augenblick an der Verantwortung teilnähme. Aber ich
hatte sofort keinen Zweifel, daß er dieses Opfer verlangen und durchsetzen
würde.
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