daß jeder das von den Konservativen und den hinter ihnen stehenden Kreisen
wisse, erleichtere es ja immer wieder, über sie zur Tagesordnung überzu—
gehen. Diese Schwäche der eigenen taktischen Position sei den Konser-
vativen wohlbekannt, könne sie aber nicht hindern, weiterhin alles für die
Verteidigung des Vaterlandes einzusetzen.]
Das Ressentiment, das in diesen Worten lag, war nicht folgerichtig,
denn Graf Westarp hatte selbst am 29. September in der „Kreuzzeitung“
gewarnt vor den „verhängnisvollen Wirkungen nach innen und nach
außen“, die eintreten würden, wenn die Konservativen jetzt „auf Siche-
rungen in Belgien oder auf Kriegsentschädigungen verzichteten"“. —
Der Generalfeldmarschall war angekommen. Gegen 3 Uhr war die erste
Besprechung bei Herrn v. Payer. Herr v. Hintze, Graf Roedern, Herr
v. Berg und andere waren zugegen.
Sowie der Feldmarschall in seiner sicheren Gelassenheit das Zimmer be-
trat, befestigte sich meine Hoffnung, er würde schließlich auf meiner Seite
stehen. Sein Ton war ruhig im Gegensatz zu den Botschaften des Generals
Ludendorff. Sachlich stand er auf demselben Boden. Ich machte wiederholt
den Wersuch, aus der einen oder anderen optimistisch gefärbten Wendung
Hindenburgs die politische Schlußfolgerung zu ziehen: also laßt der neuen
ARegierung Zeit, sich der Welt und Deutschland vorzustellen; laßt uns
innere Politik machen und Kriegsziele verkünden, gebt nur zehn, acht, ja
vier Tage Spielraum, ehe ich mich an den Feind wenden muß.
Ich erhielt aber immer nur die Antwort: Der Ernst der militärischen
Lage läßt keinen Aufschub zu.
VWährend einer Diskussion der Staatssekretäre und des Vizekanzlers
fand ich Gelegenheit, Hindenburg einen Augenblick beiseite zu sprechen.
Ich bat ihn eindringlich, mir mitzuteilen, ob denn wirklich die militärische
Lage eine solche Aberstürzung nötig mache.
Darauf erhielt ich die Antwort: „Diesen Angriff haben wir noch ausge-
halten; ich erwarte innerhalb von acht Tagen einen neuen Großangriff,
kann aber keine Verantwortung dafür übernehmen, daß dann nicht eine
Katastrophe eintritt.“ Nach dem Wort „Katastrophe“ verbesserte er sich;
die Worte, die er dann brauchte, waren dem Sinne nach: „oder zum
mindesten die allerschwersten Folgen."
Die Sitzung wurde unterbrochen, weil der Kaiser einen kurzen Kronrat
abhalten wollte. Auf dem Wege zum Neichskanzlerpalais erklärte ich
Oberst v. Haeften, daß ich das Waffenstillstandssangebot nicht heraus-
1 Graf Westarp, Die Regierung des Drinzen Max von Baden und die Konser-
vative Partei, Beiträge zu konservativer Politik und Weltanschauung, Heft 1, S. 11.
: VBgl. Payer, a. a. O., S. 106 f.
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