neuer Kanzler mußte vor Deutschland und der Welt den unseligen Schritt
mit seiner Verantwortung decken, ja sich sogar den Anschein geben, als
stände seine politische Initiative dahinter und nicht die der Obersten
Heeresleitung.
Wenn das Angebot nicht mehr aufzuhalten war, dann mußte alles
geschehen, um wenigstens eine Ablehnung zu verhindern. Es galt, die
Anhänger des Friedens in den alliierten Ländern auf den Plan zu
rufen.
Ich wurde von allen Seiten bedrängt, meinen Namen herzugeben,
weil meine Reden und meine Tätigkeit in der Gefangenenfürsorge am
ehesten eine Resonanz verbürgten. Mir schien es feig, auszubrechen, nach-
dem ich gerufen worden war und nun eine Lage vorfand, die viel schlim-
mer war, als ich erwartet hatte. Ich mußte zugeben, daß in meinem
Munde das Bekenntnis zum AKechtsfrieden nicht nur als Notschrei
wirken würde.
Kurz ehe ich das Kanzleramt annahm, hatte ich eine AUnterredung mit
einem Landsmann, der mich aus dynastischen Gründen beschwor, abzu-
lehnen: „Wenn dann Zusammenbruch und Amsturz kommen, was wird
dann aus Ihnen?“ Ich antwortete ihm: „Dann gehe ich eben mit zugrunde;
ich kann heute, wo Deutschland und der Kaiser in höchster Gefahr sind und
ein schwacher Hoffnungsschimmer besteht, daß ich etwas zu ihrer Rettung
beitragen kann, unmöglich an mich und meine Zukunft denken.“
Unser Angebot ging in der Nacht vom 3. auf 4. Oktober hinaus:
„VBerlin, den 3. Oktober 1918.7
Die deutsche Regierung ersucht den Präsidenten der Bereinigten Staaten von
Amerika, die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen, alle kriegführenden
Staaten von diesem Ersuchen in Kenntnis zu setzen und sie zur Entsendung von
Bevollmächtigten zwecks Anbahnung von Verhandlungen einzuladen. Sie nimmt
das von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in der Kongreß-
botschaft vom 8. Januar 1918 und in seinen späteren Kundgebungen, namentlich
der Rede vom 27. September, aufgestellte HDrogramm als Grundlage für die
Friedensverhandlungen an.
Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, ersucht die deutsche Regierung, den
sofortigen Abschluß eines Waffenstillstandes zu Lande, zu Wasser und in der Luft
herbeizuführen.
gez.: Max, Prinz von Baden, Reichskanzler.“
1 Amtliche Arkunden Nr. 34.
: Die 14 Punkte siehe unten S. 354 ff. Anm.
2 Ansprache für die vierte Freiheitsanleihe 1918.
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