Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

über verpflichtet, kein weiteres russisches Gebiet als selbständig zu behan- 
deln, das Rußland nicht als selbständig anerkennt. Daß Präsident Wilson 
nicht jedes Gebiet für russisch hält, was ehemals dem Zaren untertänig war, 
geht aus seiner Behandlung Polens hervor, auf die ich später kommen 
werde. So nehme ich an, daß ich mit Wilson einig bin, wenn ich auch die 
baltischen, litauischen und kaukasischen Gebiete, wenn ich auch Finnland 
und die Ukraine nicht als russisches Gebiet in engerem Sinne bezeichne. 
Wir sind bereit, diese Gebiete zu räumen, wenn die Garantien gegeben 
werden, daß sie ihr künftiges Schicksal durch die in vollkommener Freiheit 
gewählten Vertretungen unter Ausschluß jedes demagogischen oder mili- 
tärischen Terrors, aber auch unter Ausschluß von Bestechung und Ver- 
führung selbst bestimmen. Diese Freiheit der Selbstbestimmung könnte 
durch internationale Aufsichtsinstanzen gewährleistet werden. Sie umfaßt 
selbstverständlich auch das Recht jedes Teilgebietes, sich von neuem mit 
dem künftigen Rußland zusammenzuschließen oder ein anderes offenes 
Friedensbündnis einzugehen. 
„Dunkt 7: Die Wiederherstellung der belgischen Souveränität und In- 
tegrität habe ich von Anfang des Krieges an als eine Ehrenpflicht be- 
trachtet. Ich stehe heute noch auf dem Standpunkt, den Herr v. Bethmann 
Hollweg am 4. August 1914 folgendermaßen ausgesprochen hat: Wir 
haben ein Anrecht an Belgien getan und müssen es wieder gutmachen.1 
„HPunkt 8: Auch darin kann keine Anklarheit bestehen, daß wir keine An- 
gliederung französischen Gebietes an das Deutsche Reich wollen. Eine 
solche Angliederung könnte niemals mit dem Willen der Bevölkerung 
vonstatten gehen und müßte eine gewaltsame Annexion sein, die wir aus- 
drücklich abgelehnt haben. 
„Wir haben uns ferner entschlossen, auch die elsaß-lothringische Frage 
mit unseren Gegnern zu erörtern. Wenn Wilson in dem Friedensvertrag 
von 1871, der Elsaß-HLothringen an Deutschland brachte, ein Anrecht sieht, 
so muß er, getreu seinen Grundsätzen, auch ein Anrecht in den Gewalt- 
akten sehen, mit denen einst Frankreich die elsaß-lothringischen Gebiete von 
Deutschland abriß. Soll Elsaß-Lothringen nicht dauernd der Zankapfel 
Europas sein, so muß sein Schicksal nicht aus dem Gesichtspunkt früher 
begangenen Unrechts, sondern aus dem Gesichtspunkt des Rechts bestimmt 
werden, das mit seiner gegenwärtig lebenden Bevölkerung geboren ist. 
1 Die Außerung Bethmanns lautete wörtlich: „So waren wir gezwungen, uns 
über den berechtigten Drotest der luxemburgischen und der belgischen Regierung 
binwegzusetzen. Das Unrecht — ich spreche offen — das Unrecht, das wir damit 
tun, werden wir wieder gutzumachen suchen, sobald unser militärisches Ziel erreicht ist.“ 
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