das Amt nur provisorisch bekleiden, bis er Geheimrat Simons in die Ge-
schäfte eingeführt hätte. Hierauf ging schließlich auch Simons ein. Die
Zusammenarbeit der beiden Männer war mir von größtem Wert. In der
äußeren wie in der inneren Politik standen Rechtsfragen im Vordergrund
und gaben Simons täglich Gelegenheit, seine Meisterschaft zu bewähren.
Wahnschaffe hatte eine außerordentliche Kenntnis des Negierungs-
apparates, und ich bewunderte stets aufs neue seine Kunst der Menschen-
behandlung.
Der Legationsrat v. Drittwitz wurde mein Adjutant — der beste, den
ich mir wünschen konnte — ein Arbeiter von wohltuender Präzision und
Leichtigkeit. Sein glückliches Temperament half mir über viele böse Stun-
den hinweg.
Haeften wurde neben Oberst v. Winterfeldt Vertreter der Obersten
Heeresleitung beim Neichskanzler.
Ich sorgte dafür, daß Hahn Geheimrat Simons unterstellt wurde.
Er war in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober in dramatischen Kon-
flikt mit Solf und Haeften gekommen. Gab ich ihm auch im Innern recht,
so mußte ich doch jetzt, nachdem ich den folgenschweren Schritt mit meinem
Namen gedeckt hatte, die Einheitlichkeit der Entschließungen wahren. So
ließ ich einen früherren Plan fallen, Hahn in meine unmittelbare Amgebung
zu ziehen. Aber ich wollte ihn in Bereitschaft halten, wenn es sich darum
handeln würde, die Linie des Waffenstillstandsoangebots wieder zu verlassen.
Vielleicht würde uns schon die erwartete Note Wilsons vor eine neue
Situation stellen.
In diesen ersten Tagen zeichneten sich die Beratungen des Kabinetts
durch guten Willen und Sachlichkeit besonders aus. Ein gelinder Partei-
druck war allerdings zu spüren: die Herren beharrten auf ihrer For-
derung, zwei Kommandierende Generale zu entfernen, die sich in ihren
Bezirken durch die Handhabung des Belagerungszustandes mißliebig ge-
macht hatten.
Den Kriegsminister v. Stein konnte ich nicht halten: nach den Mit.
teilungen der Staatssekretäre war die Feindschaft zwischen ihm und dem
AReichstag so wenig verbüllt, daß ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten
mit der parlamentarischen Regierung nicht zu erwarten war.
Eine ernste Meinungsverschiedenheit trat bei der Besprechung über die
Begnadigung politischer Verbrecher zutage: die Mehrzahl der Kabinetts-
mitglieder war im Falle Liebknecht nur für die Amwandlung der Zucht-
bausstrafe in Gefängnis oder Festung. Scheidemann aber erklärte sich
gegen jede weitere Inhaftierung Liebknechts: der Märtyrer sei gefähr-
licher, gegen den freien Liebknecht könne man reden. Als ich ihn fragte:
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