Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Nicht im Weichen mußte man Verhandlungen beginnen, sondern zuerst die 
Front befestigen. 
Die Gegner mußten sehen, daß der neue Geist des Staates und Volkes auch 
den Geist und Willen der Kämpfenden kräftigt. Dann mußte Wilson gefragt 
werden, was er unter den verfänglichsten seiner 14 Punkte versteht, vor allem 
über Elsaß.-Lothringen, Polen und die Entschädigungen der westlichen Gebiete. 
Die verfrühte Bitte um Waffenstillstand war ein Fehler. 
Das Land ist ungebrochen, seine Mittel unerschöpft, seine Menschen uner- 
müdet. Wir sind gewichen, aber nicht geschlagen. 
Die Antwort wird kommen. Sie wird unbefriedigend sein; mehr als das: 
zurückweisend, demütigend, überfordernd. 
Wir dürfen uns nicht wundern, wenn man die sofortige Räumung des Westens, 
wo nicht gar einschließlich der Reichslande verlangt. Punkt 8 wird auf Heraus- 
gabe zum mindesten Lothringens, vermutlich auch des Elsaß gedeutet. Als pol- 
nischer Hafen kann Oanzig gemeint sein. Dis Wiederherstellung Belgiens und 
Nordfrankreichs kann auf eine verhüllte Kriegsentschädigung in der Größen- 
ordnung von 50 Milliarden hinauslaufen. 
Hat man das übersehen? Wer die Nerven verloren hat, muß ersetzt werden. 
(Warum wird man Wilsons Forderungen ausdeutend übersteigern? Weil man 
unseren Willen für gebrochen hält. 
Gebrochen ist und soll sein die Anmaßung einzelner auf Weltbeherrschung, 
auf MRechtsbruch, auf Einpflanzung des dürren und überlebten Militarismus 
und Feudalismus in die erstarkten Völker der Erde. 
Ungebrochen ist der Wille zur freien Selbstbehauptung und Selbstbestimmung. 
Kein Schiedsgericht der Welt schafft uns Arbeit und Stoff und Lebensraum, 
den schafft nur ein würdiger und erträglicher Frieden. 
Wir wollen alles Unrecht abtun, innen und außen; wir haben begonnen und 
werden fortfahren, doch wir wollen kein Unrecht leiden. 
Mit der Festigung mußte begonnen, mit dem Funkspruch geschlossen werden; 
das Umgekehrte ist geschehen und nicht mehr zu ändern; unser Wort müssen wir 
halten. 
Kommt jedoch die unbefriedigende Antwort, die Antwort, die den Lebens- 
raum uns kürzt, so müssen wir vorbereitet sein. 
Die nationale Verteidigung, die Erhebung des Volkes muß eingeleitet, ein 
Verteidigungsamt errichtet werden. Beides tritt nur dann in Kraft, wenn die 
Not es fordert, wenn man uns zurückstößt; doch darf kein Tag verlorengehen. 
Das Amt ist keiner bestehenden Behörde anzugliedern, es besteht aus Bür. 
gern und Soldaten und hat weite Vollmacht. 
Seine Aufgabe ist dreifach. 
Erstens wendet es sich im Aufruf an das Volk, in einer Sprache der Rückhalt- 
losigkeit und Wahrheit. Wer sich berufen fühlt, mag sich melden, es gibt ältere 
Männer genug, die gesund, voll Leidenschaft und bereit sind, ermüdeten Brüdern 
an der Front mit Leib und Seele zu helfen. 
Zweitens müssen alle die Feldgrauen zur Front zurück, die man heute in Städten, 
auf Bahnhöfen und in Eisenbahnen sieht, wenn es auch für manchen hart sein 
mag, den schwerverdienten Lrlaub zu unterbrechen. 
Drittens müssen in Ost und West, in Etappen und im Hinterland aus Kanz- 
leien, Wachtstuben und Truppenplätzen die Waffentragenden ausgesiebt werden. 
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