Der General Ludendorff sollte am nächsten Tage eintreffen. Die Ersatz-
lage mußte sorgfältig besprochen werden. Der General hatte uns so genau
wie möglich zu sagen, wie lange wir aushalten könnten, wenn die Bundes-
genossen abfielen. Konnte er die Schlacht in Feindesland zum Stehen
bringen? Das war die Grundfrage, und die Antwort mußte darüber ent-
scheiden, ob wir ein Räumungsverlangen ablehnten oder annähmen. Ich
bereitete einen Fragebogen vor, der ins einzelne ging; er sollte Ludendorff
unmittelbar nach seiner Ankunft vorgelegt werden; die Antworten würden
wir dann im Kabinett erhalten.
„Berlin, den 8. Oktober 1918.1
An den
General Ludendorff.
Die Antwort des Präsidenten der Bereinigten Staaten von Amerika auf
unser Friedens- und Waffenstillstandsersuchen wird voraussichtlich weder in einer
glatten Annahme noch in einer glatten Ablehnung bestehen, sondern sie wird
Bedingungen nennen, von denen der Präsident sein Vorgehen abhängig macht.
Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß diese Bedingungen schwer sind.
Wir werden also vor die Frage gestellt, ob unsere militärische Lage es uns ge-
stattet, durch Berhandlungen eine Milderung der Bedingungen anzustreben auf
die Gefahr hin, daß darüber eine Reihe von Wochen vergeht, OÖsterreich-Ungarn
und die Türkei sich von uns trennen, und wir die Bedingungen des Präsidenten
schließlich doch in ihrer ursprünglichen Form annehmen mühssen.
Um mir ein Bild über unsere militärische Lage machen zu können, wäre ich
Euer Exzellenz für umgehende Beantwortung folgender Fragen dankbar:
1. Wie lange kann die Armee den Feind jenseits der deutschen Grenzen halten,
sei es in den jetzigen Stellungen, sei es in allmählicher Rückwärtsbewegung?
2. Muß auch heute noch mit der Möglichkeit eines militärischen Zusammen-
bruchs vor dem Frühjahr gerechnet werden und, bejahendenfalls, besteht
diese Gefahr schon für die nächsten drei bis vier Wochen?
3. Wie lange wird der augenblickliche kritische Zustand voraussichtlich noch
dauern? Ist der Gefahrpunkt überschritten, wenn der Feind sich zur Ein-
stellung seiner Großangriffe genötigt sieht, und wann wird dies voraus-
sichtlich der Fall sein?
4. Kann nach Dberwindung des Gefahrpunktes auf Konsolidierung unserer
Front gerechnet werden und durch welche Mittel kann sie erreicht werden?
5. Wie liegen die Verhältnisse des Mannschafts- und Materialersatzes?
6. Kann beim Scheitern der gegenwärtigen Friedensaktion trotz des Abfalls
eines der beiden uns noch verbliebenen Bundesgenossen der Krieg von uns
allein bis zum Frühjahr fortgeführt werden?
7. Verspricht sich die Oberste Heeresleitung einen ausreichenden Kräfte-
1 Amtliche Urkunden Nr. 36. — Eine mündliche Beantwortung der sieben ersten
Fragen fand in der Sitzung vom 9. Oktober statt (s. u. S. 389f.). Am 11. Oktober
wurde der ganze Fragenkomplegx vom Gr. H.-Qu. aus von Ludendorff schriftlich
beantwortet, vgl. Amtliche Urk. Nr. 43.
Prinz Max von Baden 25 385